Seit Tagen erregt ein neues Türschild beim Eingang zur Erstaufnahmestelle in Traiskirchen Aufmerksamkeit: Das Schild weist neuerdings auf ein "Ausreisezentrum" hin statt auf die "Erstaufnahmestelle".

Wenn es nach den Plänen der FPÖ geht, soll überhaupt niemand mehr Asyl beantragen dürfen in Österreich, weil wir umgeben sind von sicheren Drittländern. Das hat Innenminister Herbert Kickl schon im Sommer des vergangenen Jahres unverhohlen kund getan. Auf dem Luftweg kommt ohnehin schon lange kein Aylwerber zu uns, weil die Möglichkeit, in den Botschaften um Asyl ansuchen zu können, bereits vor Jahren abgeschafft wurde.

Kickl will nun das Asylsystem dahingehend umbauen, dass aus den "Erstaufnahmezentren" "Ausreisezentren" werden, in denen eine "freiwillige" Nachtruhe herrscht. Asylwerber, die sich nicht daran halten, könnten in Quartiere ins Nirgendwo verlegt werden. Verteilung in die Bundesländer soll es in wenig aussichtsreichen Fällen von Asylwerbern gar keine mehr geben.

Gegen Verordnung und Gesetze

Sprache macht Politik, doch Beobachter stellen fest, dass Kickl mit den neuen Türschildern vorerst gegen geltende Vorschriften verstoße: Das BFA-Gesetz, das die Einrichtung von Erstaufnahmezentren durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) regle, sehe vor, dass eben "Erstaufnahmezentren" und nicht "Ausreisezentren" einzurichten sind. Am Eingang der jeweiligen Stellen sei die Bezeichnung "Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Erstaufnehmestelle" anzubringen - das sei in Paragraph 1 der Durchführungsverordungsverordnung genau so festgeschrieben.

Verordnungen kann der Minister allerdings ändern...

Hans Peter Lehofer, Honorprofessor am Institut für öffentliche Recht der Wirtschaftsuniversität in Wien, weist in einem Tweet darauf hin, dass die "Erstaufnahmestelle" auch in Rechtsvorschriften vorkomme, etwa im BFA-Verfahrensgesetz, im Asylgesetz oder im Grundversorgungsgesetz. Aber auch die Umbenennung "wäre legistisch kein besonders schwieriges Unterfangen".

SOS Mitmensch jedenfalls machte sich schon am Wochenende anheischig, dem Innenministerium zu helfen, "einen Fehler zu korrigieren":

Sprache macht Politik

Der Türschild-Wechsel ist nur sichtbarer Ausdruck eines sprachlichen Paradigmenwechsel, den die FPÖ schon in vergangenen Wahlkämpfen pflog und den die türkis-blaue Bundesregierung zu ihrem Markenzeichen macht.

Aus "Asylwerbern" und "Asylberechtigten" wurden weiland undifferenziert "Asylanten", aus Menschen, die sich der "Willkommenskultur" verbunden fühlten, wurden die "Willkommensklatscher", aus der "Seenotrettung" von Migranten im Mittelmeer wurden der "Fährbetrieb von Nordafrika nach Europa" und "Schlepperei". Und jetzt werden eben aus "Erstaufnahmezentren" die "Ausreisezentren".

Die Linguistin Elisabeth Wehling beschäftigt sich seit längerem intensiv mit politischem "Framing". Sie erklärt die Wirkkung dieser Vorgangsweise damit, dass bewusst Wörter verwendet werden, die Bilder im Kopf und Gefühle entstehen lassen, mit denen die Menschen unbewusst die politischen Themen dann verbinden. Am Beispiel "Flüchtlingswelle": Das Gehirn rufe in Zusammenhang damit das Konzept von "Flüchtling" und von "Welle" auf. Eine Welle sei etwas Großes und Bedrohliches, von Wellen werde man umgehauen. Wehling in einem Interview mit dem Tagesspiegel: "Die Menschen, die zu uns kommen, werden so automatisch als eine Bedrohung gedacht, die eine Abschottung nahelegt."

Es werde ein Deutungsrahmen über die Sprache gesetzt. Eine Taktik, die sich gerade auch diese Bundesregierung zu eigen machte, für die "message control" ein zentrales Anliegen ist.

Grenzüberschreitungen

Ein anderer Aspekt wurde kürzlich bei einer Tagung am Germanistik-Institut Graz thematisiert, unter dem Titel "Die Grenzen des Sagbaren". Da ging es unter anderem um eine Strategie, die im benachbarten Deutschland die AfD konsequent zur Anwendung bringt: Eine Wortwahl, die die Grenzen des Zulässigen überschreitet und entsprechende Assoziationen hervorruft und ein gewisses Publikum anspricht. Danach werden die Aussagen dann zurückgenommen, unter dem Motto "eh nicht so gemeint". Kickls bekanntester Versuch in diese Richtung war die "Konzentrierung" von Asylwerbern in Grundversorgungszentren. Er habe nicht provozieren wollen, korrigierte er später. Es sei ihm nur darum gegangen, "Menschen zusammenzufassen" an einem Ort...