Jener Zeuge, der sich heute den Fragen von Richterin Marion Hohenecker gestellt hatte, sorgte für einen besonders spannenden 81. Sitzungstag. Michael Ramprecht, der ehemaliger Kabinettsmitarbeiter von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, brachte den Hauptangeklagten und weitere Angeklagte zeitweise ins Schwitzen. Mit seinen Aussagen belastete er Grasser, dessen Trauzeugen Walter Meischberger, Ex-Lobbyisten Peter Hochegger und Ex-Immobilienmakler Ernst Karl Plech schwer. Später verstrickte er sich jedoch in Widersprüche und muss nun mit einer Ermittlung wegen Falschaussage rechnen.

Das war der 81. Sitzungstag

Ramprecht hat den Saal betreten und geht an Grasser vorbei, der ihn eindringlich mustert. Der Zeuge sieht den Erstangeklagten aber nicht an. Die Richterin beginnt mit ihrer Befragung und informiert den Zeugen, dass er unter Wahrheitspflicht steht. "Falsche Aussagen sind strafbar."

Ramprecht schildert, dass er seit 2000 im Ministerium tätig war, nachdem er Grasser in Kärnten kennengelernt hatte. "Unsere Intention war, Österreich positiv zu verändern." Dass er das Ministerium nach nur eineinhalb Jahren wieder verlassen hatte, habe Grasser nicht gefallen, erinnert sich der Zeuge. "Das hat er mir explizit gesagt." Bei der Frage nach seinem Eindruck von Grassers Trauzeugen Walter Meischberger gab Ramprecht an, dass ihn dieser "von seiner Persönlichkeit her nicht interessiert hat". Wenig später betont er erneut: "Meischberger hat mich damals nicht interessiert und interessiert mich auch heute nicht." "Gott sei Dank", ruft Meischberger heraus - und wird sofort von der Richterin ermahnt.

Grasser und sein Verteidiger Ainedter
Grasser und sein Verteidiger Ainedter © APA/HANS PUNZ / APA- POOL

Ähnlichkeiten mit Kurz

Als es um Ex-Landeshauptmann Jörg Haider geht, hält Ramprecht fest: Grasser sei damals für die Zukunft gestanden, während Haider "schon einige Leichen im Keller hatte". Aus seiner damaligen Sicht habe er auf Grasser gesetzt, weil dieser "mehr Fähigkeiten" gehabt habe. Der Zeuge vergleicht ihn mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Ramprecht habe damals das Gefühl gehabt, dass Haider "Ruhm und Glory" wollte, was aber nur Grasser gehabt habe. Dann habe sich das Verhältnis zunehmend verschlechtert, in Knittelfeld sei es sogar zu "Spuckattacken" gekommen.

Ramprecht spricht ruhig und deutlich langsamer als der gestrige Zeuge, Heinrich Traumüller. Meischberger schüttelt teils energisch den Kopf, ab und zu tut es Grasser ihm gleich.

Der berühmte Tatplan

Und schon sind wir bei dem berühmten Tatplan, den die Staatsanwaltschaft bei Grasser, Meischberger und Ex-Lobbyist Peter Hochegger vermutet. Als Ramprecht damals in den Medien mit belastenden Aussagen über Grasser für Aufsehen gesorgt hatte, habe ihm sein heutiger Freund Willi B. die berühmte Skizze gezeigt, die den Tatplan zeigen soll. Er habe ihm gesagt: "Michael, was du sagst, ist die Spitze des Eisbergs, ich kann untermauern, was du sagst". Das Ministerium habe ein Veto-Recht, habe ihm B. erklärt, aus dem man Profit geschlagen habe. Alle vier Angeklagten bestreiten übrigens, dass es diesen Tatplan gegeben hat. Für sie und alle anderen Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Richterin Hohenecker
Richterin Hohenecker © APA/HANS PUNZ / APA- POOL

"Ihr geht's alle in den Häf'n sitzen"

In einem Streit bei einem Tennis-Match im Jahr 2004 mit dem heute ebenfalls angeklagten Ex-Immobilienmakler Ernst Karl Plech habe ihm dieser damals gesagt, dass der Buwog-Verkauf "ein abgekartetes Spiel" war, "dahinter steht ja der Minister." Damit belastet Ramprecht den seit Monaten nicht mehr anwesenden Angeklagten Plech schwer. Der Zeuge sei daraufhin so wütend gewesen, dass er Plech damals entgegen gerufen habe: "Ernst, wenn das stimmt, geh ich zum Staatsanwalt und ihr gehts alle in den Häfn sitzen". Plech habe abgewunken und gemein, dass es "normal ist, Provisionen zu kassieren". Als Plech gemerkt habe, dass Ramprecht tobte, "hat er mit zehn Millionen Schilling angetragen". Plech habe damals so getan, als wäre das alles ganz normal. "Ich weiß noch genau, dass er mich gefragt hat: Lebst du hinter dem Mond?" Er habe gesagt: "Dein Minister steht hinter der Geschichte."

Er sei dann heim und wollte alles anzeigen. Plech habe dann gedroht, ihn und seine Familie zu vernichten. B. habe ihm dann aber, genau wie seine Frau und sein Bruder, von einer Anzeige abgeraten.

Die Staatsanwälte hören dem Zeugen aufmerksam zu.

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"Ich war wie angeschossen"

Nach seinem damaligen Interview wurde Ramprecht von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Mit dem Interview wollte er "auspacken". Gegen Grasser hege er heute "genau keinen Groll" mehr. Es habe ihm aber nicht gefallen, dass ihm dieser damals unterstellt habe, psychisch krank zu sein.

Ramprechts Vertrag bei der Bundesbeschaffungsagentur sei damals dann nicht verlängert worden, was ihn sehr getroffen habe. "Ich war wie angeschossen, am Boden zerstört." Weniger wegen der Absage, "sondern es war die Art und Weise, wie er mit mir umgegangen ist." Er sei "noch nie persönlich so enttäuscht von jemanden" gewesen vom Minister, "mein großer, großer Gott". Auch sein "hoch begabter ältester Sohn" habe damals zu "KHG" aufgeschaut, er sei dessen großes Vorbild gewesen. Aber er sei tief vom Minister enttäuscht gewesen.

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"Habe Grasser dort hingebracht, wo er jetzt sitzt"

Die Richterin bohrt nach: "Warum sind Sie damals nicht einfach zur Kriminalpolizei gegangen?", will sie wissen. Weil seine Frau nicht wollte, dass die Familie in der Öffentlichkeit steht. "Aber dann geben Sie stattdessen ein Interview?" Ramprecht: "Ich habe Grasser nur mit der Unterstützung der Medien dorthin gebracht, wo er jetzt sitzt" - also auf die Anklagebank. Einer Anzeige habe er damals "null Chancen" eingeräumt. Das 10 Millionen Schilling Angebot von Plech habe er damals übrigens nicht angenommen. Auch "JoMo", damit ist der heutigen Justizminister Josef Moser gemeint, habe ihn damals vor Plech gewarnt. Zudem sei Grasser bei Kritik damals "ausgeflippt".

Meischberger, der offenbar phasenweise lacht, wird von der Richterin erneut ermahnt. "Sie bekommen im Anschluss die Möglichkeit, zur Zeugenaussage Stellung zu nehmen."

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Geheime Aufnahmen

Ramprecht berichtet, wie sich damals das "mediale Blatt gewendet hat". Sein Umfeld habe gesagt, dass er verrückt sei, aber die Medien haben gewusst, wer die Wahrheit sagt. "Die Verteidigung sagt aber, dass die mediale Berichterstattung vorverurteilend und einseitig ist. Grassers Verteidiger nicken. Ramprecht: "Das würde ich an ihrer Stelle auch sagen."

Kurz sorgt Ramprecht für verwirrte Blicke bei Grassers Anwälten. Er habe damals Gespräche mit Plech aufgenommen, ohne dessen Zustimmung einzuholen. "Ja, diese Aufnahmen gibt es." Er habe sie angefertigt, weil er wusste: Wenn ihm etwas passiere, werde man die Aufnahme finden. Es gehe um den Schutz seiner Familie.

"Zaubersatz" des Ministers

Angeklagten, Schöffen, Verteidiger und dem Zeugen wurde eine Mittagspause vergönnt, es geht weiter. Er habe damals geschwiegen, sagt Ramprecht, weil er es seiner Frau versprochen hatte. "Warum sind Sie mit dem Wissen nicht zur Konkurrenz gegangen?", will Hohenecker wissen. Das sei nicht seine Welt, er wolle ein Vorbild für seine Kinder sein. Und wieder geht es darum, dass er damals von Grasser zutiefst enttäuscht war. Der Satz "der Minister will" war damals im Kabinett eine Art "Zaubersatz", das musste dann geschehen. Inflationär sei der Zaubersatz aber nicht verwendet worden.

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Grassers Verteidiger Manfred Ainedter meldet sich zu Wort - kauend. Die Richterin unterbricht: "Mit vollem Mund spricht man nicht." Lachen im Saal. Wir erfahren nun übrigens, dass Ramprecht das berühmte Gespräch nach dem Tennisspiel mit Plech nicht aufgezeichnet hat. Es ginge bei den Aufnahmen "um andere Angelegenheiten". Er und seine Frau haben damals Angst gehabt, dass Plech seine Familie "vernichten" werde. Seine Frau habe sich nicht mehr ins Auto getraut, weil sie Angst gehabt habe, dass es explodiert.

Österreich darf nicht Griechenland werden

Wieder geht es um Ramprechts Motiv, die Angeklagten zu belasten. Er habe keine Rachegelüste, er wollte das aufzeigen, das solche Dinge passieren. Wenn man das nicht aufzeige, habe er Angst, dass es in Österreich bald "wie in Griechenland zugeht".

Etwas ins Stottern kommt der Zeuge, als es um die Frage geht, ob bzw. was genau er seiner Frau vom Buwog-Verkauf erzählt hat. Nach einer zehnminütigen Pause - um die der Zeuge gebeten hatte - geht es weiter. Ramprecht beteuert, dass er sich heute "maximal bemühen" werde, die Wahrheit zu sagen. Die Richterin geht weitere Aussagen durch.

Falschaussage?

Und plötzlich gibt es Wirbel im Saal. Bei der Frage nach seinem Wissen um einer Organisation, die auf das Organisieren von "Unfällen" spezialisiert sei (die hier als Schlägertrupp bezeichnet wird), mit der Meischberger damals in Kontakt getreten sein soll, sagt Ramprecht, dass er davon von einer vertrauenswürdigen Person erfahren habe, dessen Name er nicht nennen möchte. Grassers Verteidiger toben, sie wollen den Namen und weisen darauf hin, das Ramprecht kein Amtsgeheimnisträger ist. Ramprecht Richterin Hohenecker sagt, dass der Zeuge die Person nennen muss. Doch dieser sagt: "Mir fällt sie nicht mehr ein."

Grassers Verteidiger sind empört
Grassers Verteidiger sind empört © APA/HANS PUNZ / APA- POOL

Für Sie zur Erinnerung: Der Zeuge steht unter Wahrheitspflicht. Grasser Verteidiger fordert, dass die Staatsanwaltschaft jetzt gegen Ramprecht in dieser Causa ermittelt. Er ortet eine Falschaussage, denn der Zeuge hatte zuvor angeboten, die betroffene Person um Erlaubnis zu fragen. Ramprecht möchte sich kurz mit seinem Anwalt besprechen, doch die Richterin erlaubt es nicht. Die Befragung geht weiter.

Und wieder Wirbel

Die Richterin ist fertig mit ihren Fragen - zur Überraschung aller, dass es so schnell geht. Grasser-Verteidiger Norbert Wess nutzt den Übergang und beantragt, dass Ramprecht - "notfalls unter Beugehaft" - jene Person nennt, die von Meischbergers "Schlägertrupps" gesprochen hat. Ramprecht habe jetzt "totale Angst" möchte nachdenken und sich sammeln. In der Zwischenzeit macht die Staatsanwaltschaft mit ihrer Befragung. Und stellt dem Zeugen genau diese Frage: Wer war die Person, von der Ramprecht gesprochen hat. "Ich hoffe, das geht jetzt nicht nach hinten los. Diese Person war - die Frau S. vom ORF." Raunen im Saal, mehr wird zu dieser Causa nicht gesagt.

Nach kurzen Fragen ist auch die Staatsanwaltschaft fertig, der Privatbeteiligtenvertreter der CA Immo ist an der Reihe. Es geht um  Wahrnehmungsfragen zu Details zum Verkaufsprozess der Buwog. Er gab an, dass Grasser in den Verkauf "extrem involviert" war. Als die Privatbeteiligtenvertreter fertig sind, sind die Verteidiger am Wort.

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Ominöse Aufnahmen

Den Anfang macht Grasser-Verteidiger Ainedter. Es geht um die Frage, warum sich Ramprecht damals vor Plech gefüchrtet habe bzw. seine Familie es heute noch tue. "Warum haben Sie das damals nicht der Polizei gesagt?" Es sei davon ausgegangen, nichts gegen Grasser ausrichten zu können. Ainedter bohrt weiter und will mehr zu den ominösen Aufnahmen wissen. Es gebe keine zu dieser Causa, aber Plech habe ihm Dinge über diverse Persönlichkeiten im Land erzählt, die ungeheuerlich seien.

Ainedter hat es auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen abgesehen, es geht um private Details, die er ihm unterstellen. Der Zeuge widerspricht vehement, dann geht es wieder um eine Sache, die nichts mit dem Verfahren zu tun haben. Die Richterin widerspricht, die Staatsanwaltschaft auch. Der Senat zieht sich kurz zurück, verbietet dann aber diese Art der Fragestellung.

Die Verteidiger haben noch zahlreiche Fragen, es geht sich heute nicht mehr aus. Das heißt, Ramprecht muss wieder kommen. Ein Termin muss erst gefunden werden. Damit ist dieser 9-stündige Sitzungstag beendet.