KommentarDie türkis-blaue Koalition setzt auf ein neues altes Thema: den „Kampf gegen den politischen Islam“. Am Freitag hatte NationalratspräsidentWolfgang Sobotka (ÖVP) Details einer Antisemitismus-Studie des Parlaments an die Medien gegeben: Während in Österreich ein antisemitischer „Bodensatz“ von rund zehn Prozent der Bevölkerung vorhanden sei, sei Judenfeindlichkeit besonders stark verbreitet bei Menschen, die türkisch oder arabisch sprechen, habe das Ifes-Meinungsforschungsinstitut erhoben. Die Studie bleibt auf Nachfrage im Parlament allerdings vorerst unter Verschluss, Details sollen erst Mitte März veröffentlicht werden.

Was die türkis-blaue Koalition allerdings nicht abhält, auf diese Studie hin neue Maßnahmen anzukündigen. Wie der Kleinen Zeitung am Samstag aus Regierungskreisen mitgeteilt worden ist, arbeitet die Koalition an einer „Dokumentationsstelle für politischen Islam, Rechtsstaatlichkeit und Prävention“, die nach dem Vorbild des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands gestaltet werden soll.

Vorbild Dokumentationsarchiv

Das DÖW, gegründet von ehemaligen Widerstandskämpfern und Wissenschaftlern, getragen von einer Stiftung von Republik, Stadt Wien und einem Verein, ist die Expertenstelle für Nazi-Verbrechen und aktuellen Rechtsextremismus schlechthin – und hat aufgrund seiner Konstruktion und Geschichte eine Sonderstellung im öffentlichen Diskurs.
Ihm soll die neue „Dokumentationsstelle“ nachempfunden werden, heißt es nun aus der Regierung: „Durch die starke Migrationsbewegung aus den vergangenen Jahren sind neue kulturelle Strömungen und Ideologien zu uns ins Land gekommen“, heißt es in der Aussendung dazu, und „die gestiegene Gewaltbereitschaft, die steigende Tendenz zum Antisemitismus und die verbreitete Ablehnung gesellschaftlicher Errungenschaften unserer Demokratie in einzelnen Bevölkerungsgruppen machen es notwendig, hier verstärkt Untersuchungen anzustellen und Aufklärungsarbeit zu betreiben“.

Gegenstand der Beobachtungsstelle sollen unter anderem islamistische Vereine und ihre Ideologien sein, patriarchale Ehrkulturen, islamistisches Gedankengut auf Social Media und Segregation im Bildungsbereich durch islamistische Strömungen. Bis zum Sommer will die Regierung unter Einbindung von Experten ein Gesetz erarbeiten, das die Grundlage für das neue Institut legen soll, Anfang 2020 soll es den Betrieb aufnehmen.
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist das ein Baustein des „Nicht-Wegsehens, wenn unsere Grundwerte abgelehnt werden“: Es brauche „entschiedenes Vorgehen“, um „massiven Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, sei es im Bildungsbereich, in den Moscheen und islamischen Vereinen sowie in den sozialen Medien“.

"Warum nicht stattdessen mehr Ressourcen für das BVT?"

Kritik kommt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Von der Kleinen Zeitung auf die neue „Beobachtungsstelle“ angesprochen, erklärt IGGiÖ-Präsident Ümit Vural, dass Extremismus – ob politisch oder religiös – zwar eine beständige Herausforderung sei. Für dessen Überwachung und Bekämpfung sei allerdings das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zuständig.
„Warum das BVT nicht mit zusätzlichen Mitteln versorgt wird, sondern eine neue Stelle kostenintensiv aufgebaut wird, ist für uns und wohl die Mehrheit der Steuerzahler im Land nicht nachvollziehbar“, erklärt Ümit Vural. Die Regierung sei „eifrig im großen Ankündigen“, die Islamische Glaubensgemeinschaft werde die konkrete Umsetzung sehr genau beobachten.