Wer gearbeitet hat, es dann aber aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr vermag, bekommt eine Berufsungsähigkeitspension, mit einer Ausgleichszulage aufgestockt auf die Mindestrente – derzeit rund 933 Euro. Lebt er aber bei seinen Eltern, etwa weil sie ihr Kind zu Hause pflegen, dem kürzt der Staat diese Zulage – weil die Eltern ja ohnehin Unterhalt leisten müssten.

Zum Beispiel im Fall eines jungen Vorarlbergers, 33 Jahre alt: Er leidet fast sein ganzes Leben lang unter einer schweren Krankheit: progressive Muskeldystrophie, das heißt, seine Muskeln bauen immer weiter ab, bis er komplett gelähmt ist.

In jüngeren Jahren hat der HAK-Absolvent noch mit Arbeit im örtlichen Rathaus selbst Geld verdient. Mittlerweile ist er ein Pflegefall höchster Stufe: er wird Tag und Nacht beatmet, braucht einen Rollstuhl und 24-Stunden-Pflege.

Seine Eltern haben ihr Haus eigens umgebaut, um ihren Sohn zuhause betreuen zu können. Das kostet ihn aber auch bares Geld: Denn die Pensionsversicherungsanstalt kürzt ihm deswegen seine Berufsunfähigkeitspension um mehrere hundert Euro im Monat.

Eltern könnten ohnehin Differenz zahlen

Die Ausgleichszulage können die Pensionsversicherungen nämlich dann reduzieren, wenn jemand in einem Haushalt mit Eltern lebt, die eigenes Einkommen haben. Nach § 294 ASVG darf die Pensionsversicherung der Eltern dann annehmen, dass die Eltern unterhaltspflichtig sind – von der Pension des Invaliden wird dann ein Achtel des Nettoeinkommens der Eltern abgezogen.

Im Fall des genannten Vorarlbergers heißt das: Weil sein Vater noch arbeitet, wird seine Berufsunfähigkeit um ein Achtel von dessen Einkommen gekürzt: statt 933 Euro bekommt er nur 610 im Monat Pension.

Der Sinn dieser Gesetzesstelle: Nachdem die Eltern ja ohnehin unterhaltspflichtig seien, könnte der Invalide ja die Differenz von ihnen bekommen und nötigenfalls einklagen.

Wer pflegt, verliert

Für den Vorarlberger SPÖ-Nationalratsabgeordneten Reinhold Einwallner, der den Fall aus seinem Wahlkreis persönlich kennt, ist das sinnlos: „Wenn jemand sein Kind zuhause pflegt, sollte man auf diese Unterhaltsanrechnung verzichten“, findet er: Familien, die sich in solchen Fällen selbst helfen, sollte man keine derartigen Hürden in den Weg legen, sagt Einwallner.

Ein Einzelfall ist das nicht: In einer parlamentarischen Anfrage an Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat Einwallner herausgefunden, dass derzeit in fast 2000 Fällen pflegebedürftigen Kindern in ganz Österreich die Ausgleichszulage wegen der Unterhaltspflicht ihrer Eltern gekürzt wird. Und das noch dazu uneinheitlich: Die Pensionskassen legen die Anrechnung unterschiedlich aus, die SVA etwa rechnet mit einem konkreten Unterhaltsanspruch.

Handlungsbedarf sieht man offenbar auch nicht im Sozialministerium: Zwar sei im Regierungsprogramm keine Reform vorgesehen, „ich bin mir der Problematik aber durchaus bewusst“, so Hartinger-Klein.