1. Warum wird jetzt plötzlich über die verschärfte Unterbringung von Asylwerbern diskutiert?

Einerseits hat die vom niederösterreichischen Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) verordnete Unterbringung von „Problemjugendlichen“ in einem mit Wachpersonal und Stacheldraht gesicherten Heim in Drasenhofen zu einer Diskussion geführt. Die niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft kritisierte die Unterkunft als völlig ungeeignet und sah keine Rechtsgrundlage dafür, die Asylwerber bzw. subsidiär Schutzberechtigten derartig einzusperren. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ließ die Jugendlichen in offenere Heime verlegen. Andererseits ist in einem Mordfall an einer 16-Jährigen im oberösterreichischen Steyr ein 17-jähriger Afghane, der Freund der Toten, verdächtig – was die Debatte um Kriminalität von Asylwerbern wieder hat aufflammen lassen.

2. Wie reagiert die Bundespolitik?

Die FPÖ hat das Thema auf bundespolitische Ebene gehoben: Zunächst hatte sich Innenminister Herbert Kickl hinter Waldhäusl gestellt, Klubobmann Johann Gudenus forderte Mitte vergangener Woche, generell „ein Ausgehverbot für Asylwerber in der Nacht prüfen zu lassen“. Gewalttaten passierten meist im Schutz der Dunkelheit, „Asylwerber streunen in der Nacht oft herum und suchen Hotspots wie etwa Bahnhöfe auf“, so Gudenus in der „Tiroler Tageszeitung“. Vizekanzler Heinz-Christian Strache schwächte die Forderung in der Folge ab: „Es wäre vernünftig, in einer Hausordnung klar und deutlich festzulegen, dass es den Herrschaften ab 20 Uhr nicht mehr möglich sein soll, da einfach ein und aus zu gehen.“

3. Was sagt der Koalitionspartner ÖVP dazu?

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lehnt den Vorschlag der FPÖ ab. Ein solches Vorgehen wäre nicht rechtskonform, erklärte der Kanzler am Wochenende via Ö 1: „Die rechtlichen Regelungen sind sehr klar – die gilt es einzuhalten. Das weiß der Vizekanzler, das weiß der Innenminister.“ Alles, „was in Richtung Freiheitsentzug geht, ist nicht rechtskonform“, so Kurz. Er kann sich aber eine strengere Regel in der Hausordnung vorstellen – was auf eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Koalitionspartnern schließen lässt.

4. Wie ist das mit der Hausordnung in Asylheimen derzeit?

Im Moment regelt die Hausordnung in Bundesbetreuungseinrichtungen nur eine „Nachtruhe“, die von 22 bis 6 Uhr einzuhalten ist, heißt es auf Anfrage der Kleinen Zeitung aus dem Innenministerium: „Der Zugangsbereich zur Betreuungseinrichtung bleibt während der Zeit der Nachtruhe geschlossen; das Betreten und Verlassen der Betreuungseinrichtung bedarf in dieser Zeit der Rücksprache und Anmeldung beim Tordienst (Zugangskontrolle). Zusätzlich bedürfen minderjährige Bewohner für ein Ausbleiben während der Zeit der Nachtruhe der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.“ Jeweils andere Regeln gelten in den Betreuungseinrichtungen der Bundesländer und in privaten Unterkünften – wo die Mehrzahl der Asylwerber untergebracht ist.

5. Was will das Innenministerium nun ändern?

„Klar ist, dass Menschen, die einen Schutzbedarf in Österreich artikulieren, sich auch an ,Spielregeln‘ zu halten haben“, heißt es aus dem Innenministerium. Einerseits will sich das Ministerium im Koordinationsrat der Bundesländer – der daran arbeitet, einheitliche Jugendschutzbestimmungen zu vereinbaren – dafür einsetzen, „eine Harmonisierung der Ausgehzeiten auch in Bezug auf minderjährige Asylwerber zu diskutieren“. Ziel soll sein, die Regeln in den Bundesasylheimen auch in jenen der Länder zu etablieren. Das solle bedeuten, dass zumindest Jugendlichen das Betreten oder Verlassen der Heime zwischen 22 und 6 Uhr untersagt sein soll. Aber das bleibe, wie das Ministerium zugibt, letztendlich Entscheidung der Bundesländer.

6. Was ist mit erwachsenen Asylwerbern?

Auch erwachsene Asylwerber will das Innenministerium dazu anhalten, in Asylheimen zu bleiben: „Wir prüfen aktuell nicht nur verstärkte Anwesenheitskontrollen, sondern auch ein Konzept, das in Entsprechung der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Hausordnung grundsätzlich eine Anwesenheitsverpflichtung während der Nachtstunden festlegt“, so das Ministerium; auch das gilt, der föderalen Organisation wegen, nur für Bundesunterkünfte. Bei Verstößen gegen die Nachtruhe könnte etwa das Grundversorgungsgesetz „strikter“ gehandhabt werden als bisher: Ermahnungen, Taschengeldentzug und sogar ein Ausschluss aus der Grundversorgung könnten die Folge sein.

7. Ist das rechtlich überhaupt möglich?

Wie die „Wir prüfen...“-Formulierung durch das Ministerium zeigt, ist die Rechtslage komplex: Menschen ohne konkreten Grund einfach wegzusperren, verstößt in der Regel schon gegen die Menschenrechte und zahlreiche Gesetze. Verfassungsjurist Theo Öhlinger ist skeptisch, was eine – auch nur nächtliche – Anwesenheitspflicht angeht. „Maßgeblich ist, ob die Personen freiwillig in einem Heim wohnen oder dort mit behördlicher Verfügung eingewiesen werden. Wenn sie freiwillig dort sind, müssen sie sich der Hausordnung beugen“ – diese dürfte aber nicht schikanös sein, sagt Öhlinger. „Zehn Uhr abends sei jedenfalls indiskutabel für erwachsene Menschen.“ Schwierig werde es, wenn Personen einem Heim zugeordnet werden: „Dann wäre ein Ausgehverbot ein Eingriff in die persönliche Freiheit, für den ich nirgendwo eine verfassungsrechtliche Grundlage sehe“, so der Verfassungsjurist.

8. Wie kriminell sind Asylwerber – und welche davon besonders?

Von rund 106.000 tatverdächtigen Ausländern – 39 Prozent aller Tatverdächtigen –, die die Polizei 2017 ermittelt hat, war fast jeder fünfte Asylwerber. Ein deutlich höherer Satz als der Anteil der Asylwerber an der Bevölkerung: Anfang 2018 lebten rund 1,4 Millionen Ausländer in Österreich; demgegenüber waren rund 58.000 Asylverfahren offen. Die Kriminalität der Asylwerber ist aber zuletzt deutlich um 9,6 Prozent gegenüber 2016 gesunken, wie es im aktuellen Sicherheitsbericht heißt. Dort heißt es auch: In der Gruppe der tatverdächtigen Asylwerbenden im Jahr 2017 war die führende Nationalität Afghanistan (5850 Tatverdächtige), gefolgt von Nigeria (1911 Tatverdächtige), Syrien (1845 Tatverdächtige), Algerien (1348 Tatverdächtige) und Irak (1262 Tatverdächtige).