Vor 20 Jahren, im Jahr 1997, gab es schon ein Frauenvolksbegehren. Was blieb?

MARIA RAUCH-KALLAT: Vor allem die Bewusstseinsbildung, dass es da einen Aufschrei der Frauen gegeben hat. Auch das Gender-Budgeting, die Quoten in den Aufsichtsräten waren späte Folgen.

Was wurde noch nicht erreicht?

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das hat sich ein wenig weiterentwickelt, aber nicht schnell genug. Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Gender Equality Index, der die Gleichstellung misst, um vier Prozentpunkte verbessert, von 62 Prozent auf 66. Wenn ich das hochrechne, brauchen wir bei dem gleichen Schneckentempo noch 80 Jahre, bis wir bei gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit sind. Ich bin angetreten in der Hoffnung, dass meine Enkelin das noch erlebt, die ist jetzt 10 Jahre alt. Wenn wir das erreichen, wird sie 90 sein. Vielleicht erlebt es meine Urenkelin, aber das ist unbefriedigend.

Warum geht es so langsam?

Die Berufswahl, die Berufsunterbrechungen, der langsamere Aufstieg sind schuld. Und die Männer sind inzwischen draufgekommen, dass jeder Platz mehr für eine Frau einen Platz weniger für einen Mann bedeutet. Früher haben sie plumper agiert, das traut sich heute keiner mehr. Sie haben subtilere Mechanismen hochgefahren, agieren mehr hintenherum.

Welche Schraube würden Sie drehen, um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit zu erreichen?

Der Angelpunkt wäre echte Lohntransparenz. Der Einkommensbericht ist nur eine Summierung, daraus kann man nichts ableiten. Die Frau am Arbeitsplatz muss sehen, dass der Mann neben ihr, der dasselbe tut, mehr bezahlt bekommt. Denn dann wird es heikel. Dann ärgert sie sich, dann tut sie etwas dagegen.

Sind die Arbeitgeber schuld?

Ich wünsche mir mehr Fairness auch von den Arbeitgebern. Sozialforscher beschreiben es ja: Wenn eine junge Akademikerin auf die Frage nach ihren Gehaltsvorstellungen antwortet 2200 Euro und ein junger Akademiker sagt 2400, dann gibt der Arbeitgeber beiden das, „was sie wollen“. Er müsste ihnen aber jeweils 2300 Euro geben.

Sie meinen, Frauen sind zu bescheiden? Fordern sie schlicht zu wenig?

Ja. Und man muss ihnen sagen: Jeder Ausstieg kostet sie Geld. Erst jetzt, wo mehr Männer in Karenz gehen, wird über eine bessere Anrechnung der Monate nachgedacht. Das ist übrigens typisch. Nehmen wir das Pensionssplitting, das haben wir mühsam erkämpft. In den ersten fünf Jahren haben es 800 Menschen in Anspruch genommen. 500 davon waren Männer, deren Frauen mehr verdienen als sie! Männer schauen einfach mehr aufs Geld. Frauen sind – auch hier – viel zu bescheiden.

Sie haben als Grund für die schlechtere Bezahlung auch die Berufswahl genannt. Sind die Frauen also auch selber schuld?

Da bin ich sehr vorsichtig! Sie sollten mehr Selbstbewusstsein entwickeln, aber wie sollen sie, wenn sie anders erzogen sind, wenn sie abhängig sind?!

Dann sind die Eltern schuld?

Die Eltern sollten auch schon weiter sein, aber da gibt es ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Man muss dauernd darüber reden, das ist mühsam, ich weiß.

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Frauenvolksbegehren, das vom 1. bis 8. Oktober läuft?

Es ist gut, dass es wieder ein Volksbegehren gibt, aber ich empfinde Schmerz darüber, dass die Initiatorinnen nicht bereit waren, utopische Forderungen herauszunehmen. Sie waren bei mir, haben gefragt, ob wir das unterstützen, und wir haben ihnen gesagt, die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich muss heraus, da können wir nicht mit. Das würde Österreich in seiner Wettbewerbsfähigkeit so einschränken und behindern, dass ich da als Unternehmerin nicht mitgehen kann. Weil ich ernst genommen werden will.

Sie werden also nicht unterschreiben?

Nein, aber es tut mir leid. Weil ich ihnen geraten hatte, sich auf die Forderungen nach Fairness und Gerechtigkeit zu beschränken, es hätte sie glaubwürdiger gemacht. Und diese Forderungen sind ja gerechtfertigt. Voll und ganz. Wichtig ist, dass nach 20 Jahren wieder groß aufgezeigt wird!

Ist die Stimmung unter Türkis-Blau gegen die Frauen?

Nein, aber man muss wachsam sein. Nichts, was wir erreicht haben, ist in Stein gemeißelt. Ich spüre Rückschrittstendenzen, aber in der Regierung sitzen auch starke Frauen, die genau aufpassen werden.