Der Schritt kam überraschend: Nach tagelanger Kritik am von der Bundesregierung designierten Bundesverwaltungsrichter Hubert Keyl hat dieser am Montag Vormittag seine Bewerbung für den Posten zurückgezogen. Er handle ausschließlich zum Schutze seiner Familie, erklärte er  in einer Aussendung. Seine Position gegen die Seligsprechung des von den Nazis hingerichteten Franz Jägerstätter relativierte er.

Nach Informationen der Kleinen Zeitung gingen dem Rückzug intensive Telefonate voraus, in denen der Bundespräsident eine Schlüsselrolle einnahm. Nach dem Durchwinken der umstrittenen Personalie im Ministerrat am letzten Mittwoch lag der Ball einzig und allein bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dem Vernehmen nach soll Van der Bellen freiheitlichen Spitzenpolitikern angedeutet haben, dass er ein Veto gegen die Personalentscheidung einlege werden. Die Kleine Zeitung wusste in ihrer Montagausgabe zu berichten, dass man in der Hofburg die Personalie nicht einfach durchwinken, sondern "sehr sorgfältig prüfen" werde. Infrastrukturminister  Norbert Hofer etwa enthüllte am Montag in einem Zeitungsartikel, dass er Sonntag früh lang vom Flugplatz in Pinkafeld aus, wo er später Augenzeuge eines tödlichen Flugzeugabsturzes wurde, mit dem Bundespräsidenten telefoniert habe.

Bekanntlich besitzt der Bundespräsident in Peronalfragen einen breiten Ermessensspielraum, wie der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs Ludwig Adamovich in unserer Montagsausgabe erklärte. Van der Bellen hat seit Beginn seiner Amtszeit in zumindest drei Fällen ein Veto gegen eine Personalbestellung erwogen, im Regelfall wird im Zuge informeller Gesprächen der Versuch unternommen, die Causa rechtzeitig durch einen Rückzug des Kandidaten gesichtswahrend  zu entschärfen.

So hat Van der Bellen eine mögliche Ministerbestellung von Harald Vilimsky und Johann Gudenus im Vorfeld der Regierungsbildung vereitelt. Verhindert wurde  auch die von der FPÖ erwogene Bestellung des Krone-Kolumnisten Tassilo Wallentin zum Verfassungsrichter. 

Keyl meinte in seiner Aussendung, er könne seiner Familie die für ihn "vorher unvorstellbare mediale Hetzjagd" nicht mehr zumuten. Zu dieser sei es trotz eines erfolgreich absolvierten, unabhängigen Auswahlverfahrens und einer Prüfung durch die Bundesregierung gekommen.

Auch Kritik von ÖVP

Erstmals gab es am Sonntag auch aus der ÖVP offene Kritik am als Bundesverwaltungsrichter nominierten Freiheitlichen Hubert Keyl. Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer, der selbst einer schwarz-blauen Koalition vorsteht, zeigt vor allem Unverständnis über Keyls Aussagen zur Seligsprechung von Franz Jägerstätter und hält seine moralische Eignung für das Amt zumindest für hinterfragenswert, wie er im "Kurier" sagt.

Stelzer betont, dass das allgemein gültige Geschichtsverständnis zur Person Jägerstätter selbstverständlich sein sollte - "insbesondere für Personen, die öffentliche Ämter bekleiden möchten".

Keyl hatte vor einigen Jahren in einem Leserbrief dagegen angeschrieben, dass Jägerstätter, der den Wehrdienst unter den Nazis verweigert hatte und dafür hingerichtet wurde, selig gesprochen wird. Wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert habe, sei "ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen", wird Keyl, einst enger Mitarbeiter des früheren Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ), zitiert.

Keyl war 2010 in eine Prügelaffäre involviert, bei der Neonazi Gottfried Küssel zu seinen Gunsten in Erscheinung getreten sein soll. Bereits am Samstag hatte Keyl daher in einer Aussendung betonen müssen, niemals eine gemeinsame politische Vergangenheit mit Küssel gehabt zu haben und auch in keinerlei Kontakt mit ihm zu stehen. Den Nationalsozialismus und seine grausamen Verbrechen lehne er in aller Entschiedenheit ab, unterstrich er.

Distanzierung vom eigenen Leserbrief

Nun distanzierte er sich auch von einem zehn Jahre alten Leserbrief in der Zeitschrift "Zur Zeit" gegen die Seligsprechung Jägerstetters. Nicht nur die Rechtslage habe sich geändert, sondern auch seine persönliche Ansicht, meinte er am Montag. "Ich würde diesen Artikel heute nicht mehr so veröffentlichen." In dem Leserbreif hatte Keyl geschrieben, wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert habe, sei "ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen".

Als Rückzugsgrund führte Keyl allerdings nicht diese beiden Causen an, sondern eine angelbliche "Hetzjagd" gegen seine Familie. "Als in Online Foren die Namen und Arbeitsstellen meiner Töchter veröffentlicht wurden, war jede Grenze überschritten. Ich nehme meine Verantwortung gegenüber meiner Familie wahr", ließ er wissen: "Ich habe im Interesse der Sicherheit meiner Kinder und meiner Frau zu handeln. Hier treten persönliche Interessen in den Hintergrund."