Im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) ging es am 38. Prozesstag hoch her. So wurden die berühmten Telefonprotokolle von Walter Meischberger vorgespielt, mit Sagern wie "Wo woar mei Leistung" und "Da bin ich supernackt".  Richterin Marion Hohenecker fragte gewohnt detailliert, Meischbeger kam dabei erneut immer wieder in Erklärungsnot.

Das geschah am 38. Prozesstag

Die Richterin hat den Saal betreten, es geht los. Meischberger nimmt wieder am "heißen Stuhl" Platz. Es geht weiter mit Protokollen aus dem Jänner 2010 - und der nächsten Telefonaufnahme. Meischberger hatte übrigens bei der letzten Befragung angegeben, damals mehrere Pre-paid-Handys in Verwendung gehabt zu haben, weil er davon ausgegangen war, dass diese nicht abgehört werden können.

Telefonat mit Grasser

Dass das ein Irrtum war, zeigt auch das heutige Telefonat. Die Aufnahme wird abgespielt und ist leider kaum verständlich. Es handelt sich um ein Gespräch zwischen Grasser und Meischberger,es geht um die Porr und den Linzer Terminal Tower, also um den zweiten Teilbereich des Prozesses. Die zentrale Aussage Grassers: "Ich meine...verstehst, Weisung habe ich sicher keine gegeben".

Es geht im Gespräch um einen Artikel in den "Oberösterreichischen Nachrichten" zum Terminal Tower. Meischberger habe Grasser diesen weitergeleitet, er solle sich ihn anschauen. "Da gibt es viele Indizien, da möchte ich haben, dass du dir das anschaust." Grasser solle sich daraus ableiten, was zu tun sei. "Da kannst eh nix tun, oder?", antwortet Grasser auf der Aufnahme. Welche Indizien, will Hohenecker wissen? Er habe schlicht Bausteine gemeint, nicht Indizien, verteidigt sich Meischberger.

Richterin Hohenecker konfrontiert Meischberger auch heute wieder mit Puzzlestücken aus Telefonprotokollen, Aussagen, Artikeln und Verträgen - und glänzt wie gewohnt mit detaillierter Aktenkenntnis. Die Schöffen wirken zwar noch etwas müde, aber interessiert.

Es geht weiter mit dem nächsten Telefonat vom 29.01.2010 zwischen Meischberger und Grasser - in dem Grasser-Anwalt Manfred Ainedter gleich einen Fallfehler im Protokoll ausbessert.

"Das ist eine Grasser-Jagd", erklärt Meischberger Grasser, als er ihm von den neuesten Entwicklungen erzählt. "Die" würden versuchen, etwas zu konstruieren, sagt Grasser in der Aufnahme. Aber er habe keinen Amtsmissbrauch begangen und auch kein Geld genommen. Die Ermittler gingen die Sache besonders "scharf" an, "nicht einmal bei der BAWAG" habe es so viele Hausdurchsuchungen und Ermittlungen gegeben, sagt Grasser. Die Porr sei für ihn "eine normale Geschichte" gewesen.

Grasser spricht in den Aufnahmen immer wieder im Kärntner Dialekt - ein ungewohnter Klang.

Zwischendurch etwas Buntes: das heutige Outfit von Verteidiger Michael Dohr:

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"Jagd auf Grasser wird skurril"

Im dazu passenden Tagebucheintrag von Meischberger hält dieser am selben Tag fest: "Die Jagd auf Grasser und Co. wird langsam skurril." Es werde so viel Wirbel gemacht "und das alles nur wegen einer 200.000 Euro Rechnung." Es sei "unglaublich, was so alles passiert." Die Sache sei "sehr gefährlich", die "Jäger würden vor gar nichts zurückschrecken. "Am liebsten würden sie uns einsperren und sie werden es auch versuchen." "Wer sind diese Jäger?", will Hohenecker wissen? Es sei eine politische Jagd gewesen, gegen die damalige schwarz-blaue Regierung. "Und Grasser war das Erfolgsgesicht."

"Die Kuh ist aus dem Stall"

Am 1.2.2010 wurde wieder telefoniert - 20 Minuten lang. Es geht um die Einmietung der Finanz in die Porr, "die Kuh ist aus dem Stall", sagt Meischberger dazu. Grasser erklärt, wie es dazu gekommen ist und was er dazu in der Öffentlichkeit sagen würde. Eine Weisung an die Beamten habe er aber "natürlich nicht" gegeben. Meischberger macht sich in dem Telefonat zudem Sorgen über seine Selbstanzeige bei der Finanz. Wir erinnern uns: Meischberger hat die Provision nicht versteuert, weil er davon ausgegangen sei, dass das Geld nicht steuerpflichtig sei. Als die Buwog-Affäre hochkochte, zeigten sich er und Meischberger selbst bei der Finanz an.

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Er beklagt im Telefonat, dass viele gegen ihn seien, politische Motive stecken dahinter. Grasser stimmt ihm zu, "das wird immer mehr zur politischen Geschichte". Dass Meischberger Lobbying betrieben habe, sei kein Verbrechen, das haben damals alle getan. "Die sollen nicht so tun, als hätte der Meischberger das Lobbying erfunden", sagt Grasser. Zu den Vorwürfen gegen Grasser, die Scheuch-Brüder und Co sagt Meischberger sarkastisch: "Alle Haider-Buben sind reich geworden, haben das Land betrogen und sind die Ausgeburt des Schrecklichen." Angesichts der Frage von Amtsmissbrauch und Absprachen sei er "sehr entspannt", sagt Meischberger.

"Da bin ich jetzt supernackt"

Und dann hallt einer der berühmtesten Sätze der Buwog durch den Gerichtssaal: "Da bin ich supernackt", gesteht Meischberger Grasser, wenn ihm der Staatsanwalt zu konkreten Projekten fragen würde. Grasser empfiehlt ihm daraufhin, "ein bissl eine Recherche zu machen".  Dann endet das Gespräch.

Nach einer Pause geht es weiter, Meischberger liest erneut aus seinem Tagebuch vor, dann folgt das nächste Telefonat vom 1.2.2010 zwischen Meischberger und seiner damaligen Sekretärin. Ein seltsames Gespräch, denn aus dem Gespräch wird klar, dass man für Grasser intern unter dem Pseudonym Walter Rotensteiner verwendet hat. Meischberger kann sich nicht erinnern, es sei wohl deshalb, weil man damals "an jeder Ecke beschattet wurde". Er habe die Sache mit dem Decknamen nicht mehr in Erinnerung, Grasser dürfte davon auch nichts gewusst haben. Dieser schüttelt den Kopf.

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Woher er gewusst habe, dass er beschattet wird, fragt die Richterin. Es gab Anzeichen, zudem habe ihm damals der "Falter"-Chef Florian Klenk die Abhörtechniken erklärt. Zudem habe ein Parteikollege gehört, dass Meischberger abgehört wird. Bei dem Gespräch mit der Sekretärin sei er also davon ausgegangen, dass er abgehört wird. Denn es war keines seiner Wertkartenhandys, von denen er damals vier in Verwendung gehabt habe. Damals sei er ja davon ausgegangen, dass diese nicht abgehört werden können. Auch ein Gespräch mit Plech, der in Australien weilte und das über Skype geführt wurde, habe er in dem Glauben geführt, dass dieses nicht abgehört werden könne. Aber auch das liegt heute der Staatsanwaltschaft vor. Zudem glaube Meischberger, dass auch Grasser ein Wertkartenhandy gehabt habe.

"Wo woar mei Leistung?"

Im nächsten Gespräch geht Meischberger mit Plech die Erinnerungen an die damalige Zeit und die Porr-Geschichte durch. Er habe damals wissen wollen, wie Plech die ganze Sache in Erinnerung hatte - "um Errinnerungslücken aufzufüllen".

Und hier findet sich das nächste, wenn nicht das bekannteste Zitat, das bereits vor Jahren um die Welt ging. "Wo woa mei Leistung", fragt Meischberger, leises Kichern im Saal. Plechs Antwort: "Deine Leistung woar..ahh...deine Leistung woar...ahhh....dass du...i bin jetzt völlig durcheinander wegen der anderen Gschicht do."

So sieht der heute verhandlungsunfähige Immobilienmakler Plech übrigens aus:

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Meischberger beklagt, dass sich das ganze Land über Jahre "auf den Schenkel geklopft" habe wegen dieses einen Satzes.Zudem sei er falsch zitiert worden, "Was woar mei Leistung" sei von Kabarettisten zitiert worden. Das Zitat sei über Jahre breitgetreten worden und habe "enormen Einfluss" auf die heutige Situation, hält Meischberger fest. Dabei habe er aber lediglich Plechs Erinnerungen dazu erfahren wollen, es sei also aus dem Zusammenhang gerissen und so falsch interpretiert worden.

Auch ein weiterer interessanter Satz fällt. Meischberger zeigt sich am Ende der Erklärungen zuversichtlich: Alles klar, "do red i mi scho uma".  Das sei aber anders gemeint gewesen, nämlich so: "Da kann ich hier schon was dazu sagen", sagt Meischberger im Gerichtssaal. Die beiden Herren gehen im weiteren Verlauf des Gespräches durch, wie das mit der Porr abgelaufen sei. Meischberger beendet das Gespräch mit dem Hinweis, Plech solle sich "die Geschichten" überlegen.

Meischberger alias "Walli", Plech alias "Ernsti"

Den sichtlich müden Schöffen wird eine Pause gegönnt, eine Stunde später geht es weiter. Und zwar wieder mit einem Telefonat, erneut zwischen Plech (von Meischberger "Ernsti genannt) und Meischberger, der von Plech "Walli" genannt wird. Darin sagt Meischberger zwei interessante Sätze: "Es ist unglaublich, was ich schon alles ausgesagt habe" und "...weil da bin ich am schwächsten...weil ich da einfach nichts weiß und für relativ viel Geld wenig gesagt hab und ich nichts weiß, sagen wir es einmal so." Die Richterin hakt sofort nach. Der erste Satz habe nur bedeutet, dass er schon viele Aussagen hinter sich hatte. "Bis dahin waren es nur drei", sagt die Richterin. Das sei ihm damals schon viel vorgekommen, sagt Meischberger.

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Die beiden Sprechen über die damaligen Abläufe. Laut Meischberger habe das lediglich dazu gedient, "Gedächtnislücken" zu schließen. Die Anklage sieht darin das gemeinsame Abstimmen einer zurechtgelegten Geschichte. Und wieder zeigt die Richterin Meischberger die passenden Unterlagen zu den Telefonaten auf, unter anderem das Protokoll von Meischbergers vierter Beschuldigteneinvernahme.

Der ominöse Bänker W.

In der Einvernahme offenbart sich, wie sich Meischberger und der Hypo-Vorarlberg-Banker W. kennengelernt haben. Zur Erinnerung: Von ihm soll der heute angeklagte und teilgeständige Ex-Lobbyist Peter Hochegger im Jahr 2005 erfahren haben, dass 7,2 Millionen Euro aus der Buwog-Provision unter Meischberger, Finanzminister Grasser und  Plech aufgeteilt worden seien. Die drei bestreiten das. W. wird uns im Laufe dieses Verfahren auch leibhaftig begegnen - er steht auf der Zeugenliste.

In einem Tagebucheintrag schreibt Meischberger, dass W. nervös vor seiner damaligen Einvernahme am Wiener Flughafen war. Er habe wohl kein gutes Gefühl, "ich habe auch kein gutes Gefühl", liest Meischberger vor. Dieser habe sich danach nicht bei ihm gemeldet, "auch kein gutes Zeichen". In einem anderen Beitrag kommt Meischberger zur Erkenntnis, dass die Justiz in Form eines "Normalprogrammes" jeden seiner Schritte überwacht - und so von seinen Falschaussagen weiß. "Das heißt, sie wissen so ziemlich alles." Er habe sich damals wie im Gefängnis gefühlt.

Meischberger bekommt Tagebuch nicht zurück

Dieser Eintrag ist der letzte, danach sind die Seiten des Buches leer. "Warum haben Sie hier aufgehört zu schreiben", will Hohenecker wissen. "Weil mir das Buch bei meiner Hausdurchsuchung abgenommen wurde, sonst hätte ich flott weitergeschrieben." "Kann ich's jetzt wieder haben?", fragt Meischberger. Die Richterin hält fest, dass man das Tagebuch kopiert habe und es durchgegangen sein. Sie fragt in die Runde, ob jemand was dagegen hat, dass der Angeklagte sein Notizbuch zurückbekommt. Alles bleibt ruhig, Meischberger geht auf die Richterin zu - doch dann meldet sich ein Privatbeteiligtenvertreter. Er denke über eine zusätzliche Untersuchung des Buches nach und spricht sich deshalb dagegen aus. Meischberger muss - ohne Tagebuch - zurück auf seinen Platz.

In einem weiteren Telefonat zwischen Plech und Meischberger klagt Plech, "ich werde buchstäblich hingerichtet" von den Medien. Er wirkt sehr besorgt, Meischberger versucht mehrfach zu beruhigen.

Eine kurze Nachmittagspause geht es weiter - mit der Fortsetzung des Kampfes um das Tagebuch. Meischbergers Anwalt will das nicht auf sich sitzen lassen und fordert eine Erklärung des Privatbeteiligtenvertreters, warum er ihm das Tagebuch nicht aushändigen will. Dieser scheint Zweifel daran zu haben, ob Meischberger wirklich die Zeilen im Buch geschrieben hat. "Glauben's, ich hab das meiner Sekretärin diktiert?", fragt Meischberger gereizt. Der Senat wird über den Antrag entscheiden, es geht weiter.

Und zwar mit der fünften Einvernahme von Meischberger. Die Richterin geht immer flotter durch die Protokolle, Meischberger antwortet mit "ja" oder "mhm". Vieles sei nicht relevant für das Verfahren, "das war der verzweifelte Versuch, irgendetwas herauszufinden."

Und dann ist Schluss! Die Richterin beendet den Sitzungstag, morgen, Mittwoch, geht es weiter.