"Wir merken nicht, dass Leute durchgewunken werden", sagte der Caritas-Direktor in Südtirol, Franz Kripp, zum Umgang mit Flüchtlingen in Italien. "Eher im Gegenteil." Die Polizeikontrollen in den Zügen zwischen Verona und dem Brenner würden vielmehr "sehr streng, sehr genau" durchgeführt, um die illegale Ausreise von Migranten aus Italien nach Österreich zu verhindern.

Außenminister Sebastian Kurz und Innenminister Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) hatten zuvor Italien mehrmals gewarnt, es dürfe kein "Weiterwinken" von Migranten nach Norden geben. Kripp betonte dagegen: "Die Kontrollen funktionieren und reichen aus." Auch in den Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen der Caritas in Südtirol erlebten die Mitarbeiter der katholischen Hilfsorganisation nicht, dass Leute in den Norden weiterreisen wollten.

Kurz hatte nach einem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano am gestrigen Donnerstag in Wien den Gedanken ins Spiel gebracht, man könnte die Weiterreise von Flüchtlingen auf das italienische Festland unterbinden und sie auf den Inseln, wo sie angekommen sind, festhalten. Kripp sagte dazu: "Das halte ich für einen 'Inselgedanken'. Er steht damit alleine da." Kurz' Worte seien bloß "Wahlkampfrhetorik", meinte der Co-Direktor der Caritas der katholischen Diözese Bozen-Brixen und verwies dabei auf einen ähnliche Reaktion Alfanos.

Derzeit sind in Südtirol entsprechend der gesamtitalienischen Quote 1.800 Asylwerber in staatlicher Betreuung untergebracht, von diesen werden 500 bis 600 Personen von der Caritas in elf Einrichtungen betreut, berichtete Kripp. Die meisten stammten aus den Ländern des "zentralafrikanischen Gürtels", etwa aus Gambia, dem Niger, Nigeria oder dem Senegal. Dazu kämen noch Pakistanis und Afghanen, wobei die letzteren großteils aus Deutschland gemäß dem Dublin-Abkommen nach Italien zurückgeschoben worden seien und nun dort erneut einen Asylantrag gestellt hätten. Weiters lebten in Bozen noch etwa 150 bis 200 Personen "außerhalb der Quote" (fuori quota) meist als Obdachlose, wobei Mütter mit kleinen Kindern und unbegleitete Minderjährige auch aus dieser Gruppe in Betreuungseinrichtungen untergebracht würden, erzählte Kripp.

Zu dem geplanten Verhaltenskodex Italiens für jene NGOs, die Flüchtlinge in Seenot retten, sagte der Caritas-Direktor: Man müsse sehen, wie die Auflagen sein werden. "Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass die NGOs ihre Arbeit machen sollen." Dies sei eine "humanitäre Aufgabe". Sie sollten "natürlich nicht mit kriminellen Elementen zusammenarbeiten" und auch "keine große Politik machen", aber es gelte auch: "Dort, wo die Politik versagt, müssen die NGOs eingreifen."