Die SPÖ schreibt am Mittwoch Geschichte. Nach ziemlich genau 30 Jahren beenden die Sozialdemokraten ihre Ab- bzw. Ausgrenzung der FPÖ. Beim Parteivorstand wird SPÖ-Chef Christian Kern seinen Parteifreunden einen umfangreichen Plan vorlegen, der es der SPÖ erlaubt, bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen nach der Wahl am 15. Oktober auch Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen zu führen. Damit wird die altehrwürdige Vranitzky-Doktrin zu Grabe getragen, die 1986 nach dem Wechsel an der FPÖ-Spitze und dem Aufstieg von Jörg Haider beschlossen wurde und jegliche koalitionäre Vereinbarung mit den Freiheitlichen verboten hat.

Ob eine rotblaue Koalition tatsächlich im Herbst das Licht der Welt erblickt und Heinz-Christian Strache als Vizekanzler von Bundespräsident Alexander van der Bellen angelobt wird, soll letztendlich von der Basis entscheiden werden. Dem SPÖ-Chef schwebt die Abhaltung einer Urabstimmung unter den Parteimitgliedern vor. Eine solche Abstimmung soll aber nicht auf eine Koalition mit den Freiheitlichen beschränkt bleiben. Selbst bei einer Neuauflage von Rotschwarz oder einer rotgrünpinken Minderheitsregierung müsste die Basis befragt werden.

Neben einem sehr eher allgemein gehaltenen, sieben Punkte umfassenden Kriterienkatalog, der vom Kärntner Parteichef Peter Kaiser ausgearbeitet wurde und allgemeine Grundprinzipien festschreibt, will SPÖ-Chef Kern dem Vernehmen nach auch eine Reihe konkreter Koalitionsbedingungen formulieren. Die Details sind noch unter Verschluss und werden erst heute bekannt. Dem Vernehmen nach sind auch Punkte aufgelistet, die es auch der ÖVP künftig nicht leicht machen, wieder mit der SPÖ zu koalieren.

Vranitzky-Doktrin nur noch auf dem Papier

Spätestens mit Rotblau im Burgenland unter Landeshauptmann Hans Niessl war die Vranitzky-Doktrin nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben steht. Gerade außerhalb Wiens kam die Parteiführung von der Basis, aber auch von den Strategen immer mehr unter Druck. Mit dem Aufstieg der FPÖ  zur Großpartei lief die SPÖ Gefahr, durch ihre Selbstfesselung sich der koalitionären Optionen zu berauben. Davon sind konkret die  Sozialdemokraten in  Kärnten, Steiermark und Oberösterreich betroffen. In Wien stellt sich die Frage derzeit nicht, deshalb die ablehnende Haltung von Bürgermeister Michael Häupl.

SPÖ berät interne Streitfrage: Öffnung zur FPÖ?

Um zu verhindern, dass ÖVP und FPÖ nach der nächsten Wahl auf Bundesebene gemeinsame Sache machen - und die SPÖ womöglich sogar als Wahlsieger zum Zuschauen verurteilt, wie das bereits im Jahr 2000 der Fall war - hat nun Kern die vorsichtige Öffnung gegenüber der FPÖ verordnet. Den Anfang machte Kern mit seinem Zusammentreffen mit Strache bei einer ORF-Diskussion im November 2016. Um den Druck aus dem Wahlkampf zu nehmen, entschied sich die Parteiführung bereits zu Jahresbeginn für die Abhaltung einer Urabstimmung. Damit tritt der Kriterienkatalog ins Hintertreffen.