Wenn Sie am Mittwoch dem SPÖ-Präsidium und -Parteivorstand Ihren Kriterienkatalog vorlegen, wird dann feststehen, dass eine Koalition mit der FPÖ nicht geht?
PETER KAISER: Nein. Unser Kriterienkatalog bezieht sich nicht auf das Verhältnis auf eine Partei, sondern stellt allgemein Bedingungen der Sozialdemokratie fest, mit wem man Regierungsverhandlungen führt. Der wesentliche Teil ist der fixe Teil der aus dem Selbstverständnis der Sozialdemokratie ihrer Geschichte entwickelt wird.

Fixe Koalitionshürden sind?
Das sind sieben Grundsätze, die andere Parteien teilen oder nicht. Diese Grundsätze sind ein modernes Österreich-Verständnis, soziale Sicherheit, Menschenrechte, Österreich als Teil der EU, Gleichstellung der Geschlechter, Bildung sowie Freiheit der Kunst.

Österreich-Verständnis heißt?
Zum Selbstverständnis eines modernen Österreich gibt es ganz klare Festlegungen: Bekenntnis zur Neutralität, auch zur Sozialpartnerschaft sowie zu einer Weiterentwicklung des Wohlfahrtsstaates mit sozialstaatlicher Absicherung.

Auch zur Zuwanderung stellen Sie Grundsätze auf?
Die Frage der Zuwanderung ist in dem Bereich geregelt, der die Einhaltung internationaler und innerstaatlicher Verträge betont. Vertragsrechte, von der Genfer Flüchtlingskonvention bis zu EU-Verträgen – gilt es einzuhalten. Das ist für uns ein wichtiger Teil.

Da sehen Sie keinen Widerspruch mit der FPÖ?
Das ist nicht die Frage, die ich mir zu stellen habe, sondern die sich potenzielle Verhandler vorher zu stellen haben.

Wie messen Sie, ob eine andere Partei die Kriterien erfüllt?
Ich messe es an unserem Programm und einem klaren Bekenntnis, das jeder, der mit uns in Verhandlungen geht, vorher auch klarzustellen hat: „Ja, diese Kriterien sind auch welche, mit denen wir leben können.“
Sie erwarten von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder vom Neue

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, dass er sagt „diese Kriterien kann ich akzeptieren“?
Naja. Wenn er sagt „Nein, das akzeptiere ich nicht, weil ich für einen Austritt aus der EU bin und gegen die Neutralität“, dann wird es nicht sinnvoll sein, in einer Regierung zusammenzuarbeiten.

Wenn eine Partei ein Kriterium nicht erfüllt, schließt das aus Ihrer Sicht eine Koalition aus?
Es sind Dinge, die zum normalen politischen Verständnis einer Partei gehören sollten. Wenn es um inhaltliche Akzentuierungen der einen oder anderen Forderung geht, dann muss das jeweilige Verhandlungsteam im Gespräch mit der anderen Partei das klarstellen.

Mit Anwendung des Kriterienkataloges ist der bisherige SPÖ-Parteitagsbeschluss dass es mit der FPÖ keine Koalition geben kann, obsolet?
Ich halte es für vernünftig, dass wir den Kriterienkatalog und wie wir damit umgehen, auch bei einem Parteitag beschließen und damit eher diese dogmatische Festlegung beseitigen. In Wirklichkeit gibt es in vielen Bereichen bereits entgegen eines Parteitagsbeschlusses andere Koalitionsformen. Wir haben ja über 2110 Möglichkeiten der Anwendung in 2100 Gemeinden, neun Bundesländern und einer Bundesregierung. Ich halte das für logisch, diesen Antrag mit der Vorgehensweise, die immer sämtliche Entscheidungen im Bereich der Partei behält, zu ersetzen.

Der Parteitagsbeschluss mit dem Nein zur FPÖ seit der Vranitzky-Doktrin ist aufzuheben?
Die Dinge haben sich entwickelt. Das „Nein zur FPÖ“ ist als Dogma aufzuheben. Im Parteitagsbeschluss fokussierte man ausschließlich auf die FPÖ. Im Kriterienkatalog gilt die Anwendung für alle Parteien. Das zeigt auch Offenheit, die Werte der Sozialdemokratie in mehrere Richtungen anzusetzen.

Das wird am August-Parteirat stürmisch. Für Michael Häupl ist eine Koalition mit der FPÖ „ideologisch null verständlich“.
Natürlich ist neben fixen Kriterien ein flexibler Teil da, den jede Parteiebene, Gemeindepartei, Landespartei, so auch die Wiener SPÖ, für Verhandlungen verwenden kann. In der Bundespartei gilt, was der Bundesparteivorstand in den flexiblen Bereich mit hinein nimmt.

SPÖ berät interne Streitfrage: Öffnung zur FPÖ?

Oder eine Urabstimmung?
Ich kann mir beides Vorstellen. Es wird künftig keine Koalition mehr in der alten Form sein. Auch bei der ÖVP, die sich jetzt einen türkisen Anstrich verpasst hat, wäre eine Koalitionsverhandlung einer Mitgliederbefragung oder eines Sonderparteitages zu unterziehen.

Bei welchen SPÖ-Kriterien stößt Kurz mit seiner Ausländer- oder Steuerpolitik an?
Wie hält er es mit Sozialstaat und mit Gerechtigkeitselementen in der Steuerpolitik, wie mit bundesweiter Mindestsicherung? Ein klares Nein gibt es zu Hartz-IV-ähnlichen Modellen.

Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer lehnen FPÖ und ÖVP ab. Kann die SPÖ dann mit so einem Kriterienkatalog einen Koalitionspartner bekommen?
Ja, ich habe mit meinem Team keinen Kriterienkatalog erstellt, der uns auf die Oppositionsbank beschließt.

Bei solchen Detailfragen ist man flexibel?
Ist doch logisch. Keiner weiß, wie stark eine Partei nach einer Wahl ist. Die SPÖ bekennt sich zu Regierungsverantwortung, also auch zu Verhandlungen.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl will eine Urabstimmung schon vor der Wahl.
Das halte ich für nicht sinnführend. Abstimmen würde ich dann, wenn es ein Verhandlungsergebnis gibt. Und dieses Verhandlungsergebnis ist dann in geeigneter Form – das kann ein Sonderparteitag, eine Urabstimmung oder eine Mischung aus allem sein – vorzulegen. Ich gehe davon aus, dass der Kriterienkatalog in der Form angenommen wird.

Haben Sie ein Kernkriterium?
Die Grundstruktur eines modernen Österreich mit Gleichberechtigung und Absicherung tragender Republiksäulen.