Sebastian Kurz geht mit sieben Bedingungen in den ÖVP-Bundesparteivorstand am Sonntagnachmittag, um die Obmannschaft der Partei zu übernehmen. Eine davon ist, dass er mit einer "eigenständigen Liste getragen von der ÖVP" bei der nächsten Nationalratswahl kandidieren will. Gleichzeitig verlangt er von seiner Partei auch weitgehende Vollmachten in Personalfragen und bezüglich der inhaltlichen Führung. Dazu will er statutarische Änderungen, die der Bundesparteivorstand schriftlich beschließen soll.
Die eigenständige Liste, die von der ÖVP getragen wird, soll nach den Wünschen von Kurz auch von anderen Organisationen und Personen ohne Parteibuch unterstützt werden, die ebenfalls kandidieren können. Für die Listenerstellung fordert er ein "Durchgriffsrecht". Der wahrscheinlich künftige Obmann verlangt für die Übernahme der Führung von seiner Partei, dass er die Bundesliste alleinverantwortlich erstellt und nicht wie bisher durch Beschluss des Vorstandes. Die Landeslisten sollen im Einvernehmen mit dem Bundesobmann erstellt, der Bundesobmann soll ein Veto-Recht bekommen, lautet eine weitere Bedingung. Ein Vorzugsstimmen-System soll über den Erfolg auf den Landes- und Regionallisten entscheiden, um eine Bindung zwischen Bevölkerung und politischer Vertretern zu stärken. Die Reihung auf den Kandidatenlisten soll nach dem Reißverschlusssystem erfolgen, abwechselnd Frauen und Männer auf allen Ebenen.
Obwohl er mit einer eigenständigen Liste kandidieren will, verlangt Kurz von der ÖVP aber auch, dass er als künftiger Bundesobmann alleinverantwortlich Generalsekretär und Regierungsteam bestellt und nicht wie bisher durch Beschluss des Vorstands. Für die Verhandlung allfälliger Koalitionen fordert Kurz freie Hand und ihm soll auch die inhaltliche Führung der Partei obliegen.
Schließlich verlangt Kurz noch von seiner Partei, dass der Bundesparteivorstand schriftlich beschließt, diese entsprechenden Änderungen statutarisch umzusetzen.
Breite Unterstützung
Kurz erntet für seine Bedingungen erste Unterstützungsbekundungen: Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer kündigte seine Zustimmung zu den Forderungen an. Obwohl man bei dem ein oder anderen Punkt Einwände haben könnte, "muss man Gestaltungsspielraum zugestehen", befand Schützenhöfer. "Wer wagt, gewinnt", bemühte Schützenhöfer ein altes Sprichwort, Kurz "geht auf volles Risiko". Aber "es imponiert mir, dass er mit Mut, Klarheit und Frische ans Werk geht", erklärte Schützenhöfer.
Es handle sich um keine "Bedingungen", sondern "Voraussetzungen", die es dem neuen Obmann möglich machen sollen, die Partei und das Land "in eine gute Zukunft zu führen", meinte Schützenhöfer. Dass damit die innerparteiliche Demokratie unter die Räder kommen könnte, sieht der Landeshauptmann nicht so. Auch eine Erpressung, weil für den Parteichef ohnehin niemand anderer in Sichtweite wäre, kann Schützenhöfer nicht erkennen: "Es wäre beängstigend, wenn Einer kommt und sagt, es soll alles beim Alten bleiben."
Er gehe davon aus, dass der Vorstand keine Nachtsitzung wird, sondern Kurz und sein Plan "breit unterstützt" werden, erklärte Schützenhöfer. So wie in den Landesparteien selbst dürfte auch der eine oder andere Vertreter im Bundesvorstand ob der Forderungen schon "Bauchweh" haben, räumte der Landeschef ein. "Aber es ist ein Aufbruch für Österreich in eine neue Zeit", plädierte er für Geschlossenheit. Die Älteren müssten den Jüngeren sagen, "wir stützen und unterstützen dich", und "die Steirer werden das tun".
Auf die Frage, bei welchen Punkten die Länder Einwände haben könnten - etwa dem verlangten Veto-Recht des Bundesparteiobmanns bei Landeslisten - meinte Schützenhöfer, er wolle keine einzelnen Punkte herausgreifen. Es sei natürlich immer angenehmer, "sich von niemandem irgendwas dreinreden zu lassen" - aber Kurz fordere die Solidarität der Länder und er habe diesbezüglich "absolut keine Vorbehalte", bekräftigte der Landeshauptmann.
Platter klar für Kurz
Kurz hat auch die "volle Unterstützung" des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter. "Sebastian Kurz hat klare Vorstellungen, wie er die Partei modernisieren und erfolgreich in die Neuwahl führen will", teilte Platter mit. "Wenn er die Führung in der ÖVP übernimmt, wird ihn die Tiroler Volkspartei unterstützen und seine Bedingungen mittragen", betonte der Obmann der Tiroler Volkspartei. Konkret nannte er das von Kurz geforderte Vorzugsstimmensystem für die Direktwahl von Mandataren, das auch Platters Vorstellungen entspreche. "Für uns kommen zuerst die Menschen, und dann die Partei, daher volle Unterstützung für den vorgeschlagenen Weg von Sebastian Kurz und einer neuen Volkspartei."
Platter sprach sich dafür aus, dass Kurz die ÖVP als Spitzenkandidat in Neuwahlen führen solle. "Es ist gut, wenn es nun zu einer Neuwahl kommt und die Wählerinnen und Wähler selbst entscheiden können, wer zukünftig an der Spitze unseres Landes steht." Der "lähmende Streit" in der Bundesregierung sei nämlich "unerträglich" gewesen.
Aufbrechen mit alten Mustern
Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner unterstützt die Wünsche von Kurz nach einer Neuaufstellung der ÖVP. Freilich stellt sie auch klar, dass es bezüglich des vorgelegten Papiers Vorgespräche gegeben habe, diese also nicht diktiert wurden. In einer schriftlichen Stellungnahme betonte Mikl-Leitner, dass die heutigen Gespräche viele Vorschläge gebracht hätten. Diese würden dem Bundesparteiobmann die notwendige Entscheidungskraft geben, um erfolgreich für Österreich arbeiten zu können: "Der Bundesparteiobmann muss sein Team nach seinen Vorstellungen aufstellen können, genauso, wie es die Landesparteien seit jeher können." Dann habe er auch die gleichen Chancen auf Erfolg.
Für Mikl-Leitner sind es alte Denkmuster, wenn es Landeshauptleuten als Schwäche ausgelegt werde, wenn sie keinen Minister aus ihrem Bundesland hätten: "Das sind Antworten von gestern. Ein Minister arbeitet für ganz Österreich und nicht für ein Bundesland - daher ist es unerheblich woher ein Minister kommt." Wichtig sei, dass Sebastian Kurz sein Team zusammenstellen könne, ohne Steine in den Weg gelegt zu bekommen.