Der Wunsch des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Niessl (SPÖ), zeitweise die Aufnahme von Arbeitnehmern aus EU-Ländern für gewisse Branchen einzuschränken oder zu verbieten, ist "mit dem europäischen Recht derzeit nicht zulässig", sagte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) im "ORF-Mittagsjournal". Für Bürger aus Drittstaaten (Nicht-EU-Länder) gebe es das schon.

Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) fordert von der Bundesregierung in Wien, sich für eine Schutzklauses für einheimische Arbeitnehmer stark zu machen. Im heutigen Ö1-Morgenjournal fordert Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, die sogenannte Arbeitskräfte-Entsenderrichtlinie überhaupt abzuschaffen.

Im Ö1-Interview sagt Niessl: „Die Entsenderichtlinie ist zu überarbeiten, sie führt zu Wettbewerbsverzerrung. Es muss gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort gegeben sein. Diese Entsenderichtlinie führt zu Sozial- und Lohn-Dumping. Ich finde, die Entsenderichtlinie gehört überhaupt eingestellt.“

Damit soll der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt beschränkt werden. In bestimmten Branchen solle es daher – wenn die Arbeitslosigkeit zu hoch ist - einen generellen Stopp geben, fordert Niessl.

"Sehe mich von Niessl unterstützt"

Niessl habe sich dazu heute "ein bisschen zu unscharf" geäußert, sagte nun Stöger. Mit seiner Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz habe Niessl aber "völlig Recht", da habe man auch eine gemeinsame Linie gegenüber der EU-Kommission. "Ich sehe mich da von Niessl unterstützt." 

Sozialminister Alois Stöger, Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske und SPÖ-Sozialsprecher und Baugewerkschafter Beppo Muchitsch fordern jedoch ebenfalls schon seit längerem eine Verschärfung der Entsenderichtlinie, um den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte zu bremsen.

Beispiel "Henry am Zug"

Jüngstes Beispiel für einen Konfliktfall: Die Entsenderichtlinie für das Transportgewerbe wird von der Gewerkschaft so ausgelegt, dass für das Personal der Do & Co-Tochter "Henry am Zug", das in den Zügen durch Österreich seinen Dienst verrichtet, der österreichische Gastgewerbe-Kollektivvertrag zur Anwendung gebracht werden muss.  "Henry am Zug" beschäftigt  zu großen Teilen ungarisches Personal zu ungarischen Löhnen, obwohl diese zu 80 Prozent außerhalb Ungarns unterwegs sind.

Lohndumping am Bau

Im Baugewerbe wird ebenfalls vielfach ausländisches Personal zu Niedriglöhnen beschäftigt. Das geht laut Entsenderichtlinie immer dann, wenn ein ausländisches Unternehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für bestimmte Aufträge nach Österreich "entsendet" - dann können die Bestimmungen des Herkunftslandes zur Anwendung kommen, was die Lohnnebenkosten betrifft, und auch Prämien und Zulagen müssen nicht bezahlt werden.

Die Zahlen:

  • Zuletzt wurden mehr als 100.000 Arbeitnehmer von Firmen aus anderen EU-Ländern nach Österreich entsandt, innerhalb der gesamten EU 1,9 Millionen.
  • Damit war Österreich Zielland Nummer vier in der gesamten Union, nach Deutschland, Frankreich und Belgien.
  • Nach EU-Daten ist die Zahl der entsendeten Arbeitnehmer in der EU zwischen 2010 und 2014 um fast 45 Prozent gestiegen, in Österreich um 69 Prozent.
  • Knapp jeder dritte nach Österreich entsandte Arbeitnehmer aus einem EU-Land arbeitete am Bau. 13 Prozent waren im Industriesektor tätig, 8 Prozent im Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialbereich.
  • Die durchschnittliche Entsendedauer beträgt nur vier Monate.
  • Die Kommission will jetzt die maximale Dauer auf zwei Jahre begrenzen; Österreich findet das viel zu lange. 

"500.000 warten auf der Ersatzbank"

Der Geschäftsführer des österreichischen Personaldienstleisters Trenkwalder, Klaus Lercher, hatte Anfang März darauf hingewiesen, dass eine inländische Zeitarbeitsfirma Lohnkosten von 30 Euro und mehr je Stunde habe, während diese Kosten bei Entsendeten Arbeitskräften aufgrund geringerer Lohnnebenkosten auf bis zu 14 Euro sinken. Dies würde insbesondere niedrig qualifizierte Arbeitskräfte in Österreich am Arbeitsmarkt verdrängen.

In Anspielung auf die derzeitige Zahl der Arbeitslosen meinte Lercher: "Wir haben knapp 500.000 auf der Ersatzbank sitzen, die aufs Spielfeld wollen. Das ist wie bei der Rettungsgasse - wir fahren zur Seite und andere nutzen das, um über die mittlere Spur zu brausen."

Kritik an Vorschlag der EU-Kommission

Die EU-Kommission präsentierte Anfang März einen Entwurf für die Änderung der Entsenderichtlinie, die aus dem Jahr 1996 stammt. SPÖ und Gewerkschaft geht das vorgeschlagene Regelwerk nicht weit genug, auch die ÖVP ist unzufrieden. AK-Präsident Rudolf Kaske befand: "An keiner Stelle des Papiers gibt es einen Fortschritt im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping." Es sei wieder eine Chance vertan worden, "wirksame Maßnahmen gegen Scheinentsendungen und unfairen Wettbewerb durch niedrige Sozialversicherungsabgaben zu ergreifen oder etwa eine klare Verpflichtung des Arbeitgebers festzuschreiben, bei Entsendungen die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung zu übernehmen".

Die Kommission will die Länder dazu verpflichten, die Entsenderichtlinie auf alle Branchen auszuweiten. Derzeit gilt das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nur für das Baugewerbe, und die Mitgliedstaaten können selbst entscheiden, ob sie allgemein verbindliche Tarifverträge (Kollektivverträge) auf entsandte Arbeitnehmer in anderen Sektoren anwenden wollen. Es bleibt also den Staaten überlassen, ob sie Kollektivverträge für verbindlich erklären oder nicht. In Österreich und neun anderen Ländern sind die Kollektivverträge bereits in sämtlichen Branchen für entsandte Arbeitnehmer verpflichtend. Für diese Länder ändert sich daher in dem Punkt nichts. 

Gegen Schnellschüsse

Gegen "unüberlegte Schnellschüsse, wie eine Abschaffung der Entsenderichtlinie" sind Wirtschaftsbund, Neos, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Nicht die Entsendung von Arbeitskräften, sondern die stetig nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit Österreichs sei die mit Abstand größte Gefahr für unsere heimischen Arbeitsplätze.