Für Schelling ist sie ein Grund, warum es schwer ist, Arbeitskräfte zu finden, weil sie fast gleich hoch sei wie das Arbeitseinkommen. Das deutsche Modell Hartz IV würde besser funktionieren. "Es geht darum, Arbeitsanreize zu verstärken", fordert auch VP-Generalsekretär Gernot Blüml ein "klares Nein zu jeglichem Missbrauch".

Die Forderung nach strengeren Regeln stößt bei SPÖ und Grünen auf Ablehnung. Die Grünen sprechen von "Sozial-Bashing" und zeigen sich "fassungslos über so viel arrogante Unwissenheit". Für die SPÖ zeichnet Schelling ein Bild des Arbeitslosen, der sich in der Hängematte ausruht. Die FPÖ sieht wiederum in der Mindestsicherung "falsche Anreize".

Für den Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal ist die Forderung der ÖVP durchaus nachvollziehbar. "In der Tat fragen sich manche, warum sie sich eine 40-Stunden-Woche antun sollen, wenn sie brutto 1200 Euro verdienen." Entscheidend für Mazal ist die Schaffung eines zweiten Arbeitsmarktes und der Vermittlungsdruck, der vom AMS ausgeübt werden müsste. "Von vielen Arbeitslosen könnte man eine Tätigkeit verlangen, die von jedem Zivildiener verlangt wird. Dann hätten wir genug Arbeitsplätze. Wir holen bedenkenlos Frauen als Betreuerinnen aus dem Osten und haben gleichzeitig viele Transferbezieher hier in Österreich", kritisiert Mazal. Es sei, meint er, nicht zwingend, Frauen aus Osteuropa zu holen.

Geringe Differenz

Wie Mazal sieht auch der ehemalige Chef des IHS, Bernhard Felderer, das Hauptproblem in der geringen Differenz zwischen Mindestsicherung von 827 Euro und geringem Einkommen: "Diese Differenz ist beängstigend klein geworden. Was ist der Anreiz zu arbeiten, wenn man weiß, dass man sich die Differenz von vielleicht 300 Euro durch Putzen verdienen kann?"

Felderer begrüßt deshalb den Vorstoß von Schelling: "Es ist verdienstvoll, dass er in diesen Tabutopf hineingegriffen hat und das Problem anspricht. Es ist aber schade, dass man darüber nicht sachlich sprechen kann, sondern es sofort zu ideologischen Frontlinien kommt." Wobei Felderer betont, dass die Anzahl jener, die wegen geringer Differenz zwischen Mindestsicherung und Arbeitseinkommen nicht arbeiten wollen, "verblüffend klein" ist.

Für Mazal ist allerdings das Ausmaß des Missbrauchs nicht entscheidend: "Den Sozialstaat kann man damit nicht sanieren. Es schafft aber viel böses Blut und mindert den Elan."

FAKTENCHECK

Arbeitslosengeld gibt es in Österreich im Normalfall ein halbes Jahr, bei langen Versicherungszeiten ein Jahr. Netto ersetzt es rund 55 Prozent des vorherigen Einkommens. Danach kann Notstandshilfe beantragt werden, sie beträgt grundsätzlich 92 Prozent des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes. Allerdings wird bei der Höhe der Notstandshilfe unter anderem auch die wirtschaftliche Situation von Ehepartnern und Lebensgefährten berücksichtigt.

Die Mindestsicherung hat die Sozialhilfe der Bundesländer ersetzt - und kann nur bekommen, wer das eigene Vermögen bis auf 4139,13 Euro aufgebraucht hat. Die Mindestsicherung beträgt derzeit 827,83 Euro für Alleinstehende. Personen in Lebensgemeinschaften erhalten den eineinhalbfachen Betrag, für Kinder gibt es jeweils 149 Euro.

Hartz IV ist das deutsche Modell. Der Name kommt vom früheren VW-Manager Peter Hartz, welcher vier Reformen für den deutschen Arbeitsmarkt ausarbeitete. Mit Hartz IV wurde die frühere Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zum neuen "Arbeitslosengeld II" zusammengelegt, die vom früheren Einkommen abgeleitete Arbeitslosenhilfe verschwand. Für viele Langzeitarbeitslose brachte das eine Verschlechterung der Leistung. Hartz IV deckt nur die Grundsicherung der Existenz und wird nur nach Prüfung der Bedürftigkeit ausgezahlt. Die Ablehnung von Arbeit ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, die Unzumutbarkeit muss vom Bedürftigen nachgewiesen werden.

Kritiker sagen deshalb, mit Hartz IV sei der Niedriglohnsektor gewachsen, die Arbeitslosigkeit aber nicht geringer geworden. Für einen alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger beträgt der monatliche Regelsatz derzeit 399 Euro, dazu kommen Mehrbedarfe wie Miete, Heizung, Kinder.

Davon zu unterscheiden ist das "Arbeitslosengeld I". Es wird wie in Österreich bei Eintritt der Arbeitslosigkeit und abhängig vom letzten Einkommen bezahlt, je nach Alter und Versicherungsdauer für 6 bis 24 Monate.