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Zu diesem PR-Stunt kann man der Industriellenvereinigung nur gratulieren. Da tritt Generalsekretär Christoph Neumayer vor die Kamera und schlägt vor, dass die Leute eine Stunde pro Woche länger hackeln sollen. Dafür bezahlt werden müssten sie nach seiner Auffassung aber nicht unbedingt.

Zum Glück war die Pressekonferenz schon um zehn Uhr. Die meisten Österreicher lagen also noch im Bett. Sonst hätte es einen Aufruhr gegeben!

Doch im Vergleich zu den Vorstellungen, die die Gegenseite vertritt, ist der Vorschlag eigentlich fast noch milde. Schließlich ist die 32-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, wie sie die Gewerkschaften regelmäßig fordern, ja viel drastischer. So viel produktiver können wir gar nicht werden, um das auch nur annähernd auszugleichen. Wer vier Personen in Vollzeit beschäftigt, müsste eine fünfte Person einstellen, damit dieselbe Arbeit geschafft wird. Die Personalkosten würden also um ein Viertel steigen. Es sei denn, die vier Kollegen generieren auf einen Schlag Produktivitätszugewinne in einem Ausmaß, das in den letzten 20 Jahren zusammengenommen kaum erreicht wurde.

Die IV hat in einem Punkt schon recht: Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels muss der Trend zum weniger Arbeiten durchbrochen werden. Die durchschnittlich tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit der Erwerbstätigen liegt in Österreich inzwischen bei unter 34 Stunden; so wenig, wie kaum sonst irgendwo in Europa. Wenn demnächst gigantische Kohorten von Arbeitskräften in Pension gehen, wer hackelt dann noch?

Menschen arbeiten, um Geld zu verdienen

Nun höre ich schon: Was wissen Ökonomen schon von Arbeit! Sie sitzen in ihren warmen Büros und trinken Kaffee. Ja, stimmt. Doch eine Sache verstehen wir Ökonomen sehr gut: Menschen arbeiten nicht zum Spaß. Sie tun es, um Geld zu verdienen. Mag sein, dass manche Jobs Selbstverwirklichung bedeuten. Doch viele müssen einfach nur gemacht werden. In alten Lehrbüchern findet man noch den Begriff des „Arbeitsleids“.

Und deshalb helfen Appelle an die kollektive Arbeitsmoral der Gesellschaft nicht weiter. Schon gar nicht sollten diejenigen bestraft werden, die ohnehin schon Vollzeit arbeiten. Es sollte vielmehr darum gehen, die Gründe für Teilzeitarbeit abzubauen. Eine flächendeckende Kinderbetreuung würde nicht schaden. Aber auch steuerlich muss es wieder attraktiver werden, aufzustocken. In kaum einem Land in Europa lohnt es sich so wenig, von Teilzeit in Vollzeit zu wechseln. Nur in Belgien hat man netto am Ende noch weniger in der Tasche als in Österreich.

Wer die volle Distanz gehen soll, kann nicht das Gepäck für alle tragen, denen es auf halber Strecke zu mühsam geworden ist. Und im Zieleinlauf kann die Belohnung nicht ein Händedruck und eine Ehrenrunde sein.

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Für unsere Großeltern war es selbstverständlich, dass ihre Arbeitszeit immer weniger wurde. Vor 100 Jahren haben wir pro Woche 48 Stunden gearbeitet. Dann kam die 45-Stunden-Woche, schließlich haben wir auf 43 Stunden verringert, 1975 auf 40 Stunden und 1985 haben die meisten Branchen die 38,5-Stunden-Woche eingeführt. Bei jeder Verkürzung der Arbeitszeit warnten Wirtschaft und Industrie vor dem Untergang der Wirtschaft. Und jedes Mal ist das Gegenteil passiert: Unsere Produktivität stieg.

Doch seit 40 Jahren hat sich bei der Arbeitszeit nichts mehr bewegt. Dabei stellen wir heute knapp doppelt so viel her wie in den 1980er Jahren, unsere Produktivität wächst ungebrochen. Wir haben bessere Maschinen und besseres Material. Wir wirtschaften heute ganz anders als vor 40 Jahren. Damals ohne Handy, ohne Internet, ohne künstliche Intelligenz. Doch das, was wir mehr erwirtschaften; das, was wir alle gemeinsam produktiver sind: Wie verteilen wir das? Stecken wir das in die Gewinne der Konzerne? Oder kriegen die Beschäftigten auch was davon ab? Mehr Lohn und weniger Stunden?

Momentan passiert das Gegenteil: Während alles effizienter und effektiver wurde und wird, wird die Arbeit immer dichter und intensiver. Wir arbeiten mit Handy und Laptop; aber unser Arbeitszeitmodell stammt noch aus der Zeit von Wählscheibentelefon und Schreibmaschine mit Durchschlagpapier.

Der Arbeitskräftemangel verschiebt die Machtverhältnisse

Nun warnen viele vor dem Arbeitskräftemangel. Allerdings: Der Pensionsantritt der Babyboomer und die Tatsache, dass Unternehmen Stellen nicht mehr so leicht nachbesetzen können, verschiebt das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zugunsten der Beschäftigten. Nur in solchen Phasen, in denen der Hebel bei den Leuten liegt – und nicht bei den Konzernen – können die Arbeitsbedingungen in den Verhandlungen auch verbessert werden.

Und: Die Leute wollen weniger lange arbeiten, wie viele Umfragen zeigen. Zu Recht. Wir wissen aus unzähligen Studien: Wer weniger arbeitet, ist gesünder, glücklicher und macht seinen Job besser. Von gesunden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat auch der Chef was. Weniger Krankenstand, höhere Produktivität. Auch die Loyalität zum Unternehmen steigt, und offene Stellen werden leichter nachbesetzt.

Eine kürzere Vollzeit ermöglicht auch mehr Frauen einen Vollzeit-Job. Über 400.000 Frauen sagen, sie sind in Teilzeit, weil sie Betreuungspflichten haben. Wir lassen sie allein mit der Familienarbeit. Österreichweit lässt nur die Hälfte der Kindergarten- und Krippenplätze einen Vollzeitjob zu. Wer dank einer kürzeren Vollzeit weniger arbeitet, kann auch die Arbeit zu Hause fairer verteilen. Zwischen Mama und Papa.