Die Bundesregierung hat sich auf eine deutliche Erhöhung des Kostenersatzes für jene geeinigt, die in einem Strafverfahren freigesprochen werden und entsprechende Ausgaben für ihre Verteidigung berappen mussten. Für 2024 allein wurden dafür 70 Millionen Euro reserviert – eine Verdreißigfachung der ursprünglichen Mittel. Je nach Ausschöpfung werde im kommenden Jahr zu prüfen sein, ob auch dieser Betrag aufgestockt werden muss, betonten Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Karoline Edtstadler (ÖVP) im Anschluss an den Ministerrat.

Im Detail sieht die Einigung eine Staffelung vor:

  • Für einen Freispruch vor dem Bezirksgericht winken künftig bis zu 5.000 Euro, bisher lag die Grenze bei max. 1.000 Euro.
  • Wer von einem Einzelrichter am Landesgericht frei gesprochen wird, kann mit bis zu 13.000 Euro rechnen. Bisher waren es lediglich bis zu 3.000 Euro.
  • Und wer von einem Schöffen- bzw. Geschworenengericht nicht schuldig befunden wird, kann bis zu 30.000 Euro Ersatz geltend machen (bisher maximal 5.000 Euro, bei besonders komplexen Verfahren maximal 10.000).

Die Höhe des Ersatzes hängt dann von der Komplexität des Verfahrens ab. Für besonders aufwändige Verfahren kann die Höchstgrenze um die Hälfte überschritten werden, sind die Verfahren komplex und überdurchschnittlich lang, kann diese um das Doppelte (also auf 60.000 Euro) erhöht werden. Erstmals steht auch jenen bis zu 6.000 Euro Kostenersatz zu, deren Verfahren eingestellt wurde. Die relativ hohe Gesamtsumme von 70 Millionen Euro erklärt sich auch mit Blick auf die durchschnittlichen Freisprüche der letzten fünf Jahren, für die ein Kostenersatz relevant gewesen wäre. Bei Schöffen- und Geschworenenverfahren werden jährlich rund 650 solcher Freisprüche verzeichnet. Vor Einzelrichterinnen und -richter sind es rund 2.160, vor Bezirksgerichten sind es 1.750 jährlich.

Prominente Fälle kurbelten Reform an

In der öffentlichen Debatte angekommen war die Problematik freilich erst durch prominente Fälle, die nach Freisprüchen über hohe Ausgaben für ihre Verteidigung geklagt hatten, auf denen sie am Ende sitzengeblieben sind. Der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte beispielsweise erklärt, nach zwei erfolgten Freisprüchen mehr als 100.000 Euro für seine Verteidigung aufgewendet zu haben. Ex-Grünen-Politiker Christoph Chorherr sprach nach seinem Freispruch im Korruptionsprozess gegen ihn von 130.000 Euro. Die Regierung hatte zu Jahresbeginn mit der Ausarbeitung der nun präsentierten Gesetzesänderung begonnen. Von dem Ergebnis, das rückwirkend für alle Freisprüche und Einstellungen bis zum 1. Jänner 2024 gelten soll, könnten nun Betroffene wie Ex-Finanzminister Eduard Müller profitieren. Im März war das ein Verfahren gegen den heutigen Chef der Finanzmarktaufsicht zur Steuercausa rund um Unternehmer Siegfried Wolf eingestellt worden. Der Ersatz kann unabhängig vom eigenen Vermögen beantragt werden.

Von einem „entscheidenden Schritt für die Justiz und den Rechtsstaat“ spricht Justizministerin Zadić. Ein Ermittlungsverfahren bedeute nicht automatisch eine Verurteilung, der „erheblichen finanziellen Belastung“ durch die Kosten für die eigene Verteidigung komme man nun entgegen. Laut Verfassungsministerin Edtstadler seien die bisherigen Beträge „fast lächerlich“ gewesen, die Erhöhung sei essenziell für die auch von ihr geforderte Stärkung der Beschuldigtenrechte. Es gehe nicht um Honorare für „Staranwälte“, sondern um die Sicherstelljung einer adäquaten Vertretung vor Gericht.

Rechtsanwälte dafür, Richter fürchten Mehraufwand

Aus dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag kommt Zustimmung für den legistischen Vorstoß der Regierung. Sollten die Mittel jedoch nicht ausgeschöpft werden, müsse über einen gänzlichen Kostenersatz nachgedacht werden. Die Richtervereinigung warnt indes von einer Vielzahl an rückwirkenden Anträgen, die dank offener Planstellen „ein weiteres Loch aufmachen“ könnten.