Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer hält am Freitag in Wels eine Rede, bei der er einen „Österreichplan“ vorstellen und damit wohl auch in den Nationalratswahlkampf starten will. Im Vorfeld stellte die ÖVP der APA Auszüge aus dem Papier zur Verfügung, und zwar aus den Kapiteln „Leistung“ und „Wirtschaft“. Darin ist von einer Steuersenkung „für die arbeitende Mitte“ und einem Lohnnebenkosten-Senkungspfad bis 2030 die Rede.

Nehammer schwebt demnach ein „Programm für die fünf Millionen“ vor, womit die Anzahl jener Menschen in Österreich gemeint ist, die „unser gesamtes System mit ihrer Steuerleistung finanzieren“. Diesen solle mehr von ihren Einkommen und Pensionen bleiben. Die ÖVP will daher den Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent senken.

„Wir brauchen mehr Steuerzahler, die aber weniger Steuern zahlen“, so das Credo des Volkspartei-Chefs. Erleichterungen will Nehammer auch für jene, die nicht Vollzeit arbeiten, weil sie Pflege- oder Kinderbetreuungsaufgaben übernommen haben.

Leistungsreform des Abgabensystems

Weiters wünscht sich die ÖVP eine Leistungsreform des Abgabensystems. Bis 2030 will sie einen Lohnnebenkosten-Senkungspfad um 0,5 Prozentpunkte jährlich implementieren. Erreichen will man dies durch eine Reduktion der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (die Finanzierung des Arbeitslosengelds soll aus ÖVP-Sicht neu strukturiert werden) sowie durch Überführung eines Teils der dienstgeberfinanzierten Beiträge des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) in das Bundesbudget.

Im Kapitel „Wirtschaft“ – hier ist auf ÖVP-Seite vorerst nur von einem „Rohentwurf“ die Rede – wünscht sich Nehammer einen „Regimewechsel in Österreichs Wirtschaftspolitik“. Es sei eine Abkehr vom Interventionalismus und Etatismus der letzten vier Krisenjahre notwendig, und damit eine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft. Dem Vernehmen nach soll auf ein Zurückfahren von Subventionen und stattdessen auf Garantien und Anreize gesetzt werden.

Den Auftakt zum Österreichplan hatte Nehammer mit einer „Rede zur Zukunft der Nation“ im März 2023 gesetzt. Damals legte er den Fokus etwa auf den Klimaschutzbereich, was vor allem als Kampfansage an seinen Koalitionspartner, die Grünen, interpretiert wurde. Unter anderem wandte sich der ÖVP-Chef dabei gegen ein Aus für Verbrennungsmotoren und titulierte Österreich als „Autoland schlechthin“.

„Untergangsirrsinn“ der „Klimakleber“

Dem „Untergangsirrsinn“ der „Klimakleber“ stellte Nehammer den Glauben an Technologie und Fortschritt entgegen, verteidigte das österreichische Schengenveto gegen Bulgarien sowie Rumänien und stellte eine fünfjährige Halbierung der Sozialhilfe für Neuankömmlinge im Lande in Aussicht. „Mein Ziel ist es, dass alle Österreicherinnen und Österreicher zur besitzenden Klasse gehören“, meinte er zudem und versprach eine Eigentumsoffensive mittels Zweckwidmung der Wohnbauförderung.

In den Umfragen kommt die ÖVP seither aber nicht vom Fleck. Während sich die Kanzlerpartei im ersten Halbjahr noch mit der SPÖ auf dem zweiten Platz abwechselte, liegt die ÖVP seit Herbst stabil am dritten Rang. Heuer kommt die ÖVP in den vom APA-Wahltrend erfassten Umfragen auf gerade einmal 20 bis 23 Prozent. Zum Vergleich: die SPÖ liegt bei 24 bis 25 und die FPÖ bei 26 bis 29 Prozent.

Auch Nehammer selbst hat mit schwachen Umfragen zu kämpfen. Unmittelbar nach seinem Wechsel ins Kanzleramt im Herbst 2021 hatte der ÖVP-Chef noch einen positiven Wert im APA/OGM-Vertrauensindex: 48 Prozent gaben damals an, dem ÖVP-Chef zu vertrauen, 41 Prozent hatten kein Vertrauen. Mittlerweile ist der Wert allerdings deutlich ins Negative gekippt: zuletzt lag die Differenz aus Vertrauen (30 Prozent) und Misstrauen (62 Prozent) bereits bei minus 32 Prozentpunkten.

Kritik von Opposition

Für wenig Begeisterung sorgten die ÖVP-Pläne am Montag wie zu erwarten bei der Opposition. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder sprach von „altem Wein in alten Schläuchen“ und warf Nehammer vor, lediglich Vorhaben aus Wahlprogrammen der letzten Jahre zu kopieren: „Dass der ÖVP-Kanzler jetzt zum dritten Mal in sechs Jahren dieselbe Platte auflegt, zeigt das Versagen der ÖVP und die Planlosigkeit Nehammers“ so Breiteneder.

Die FPÖ sprach von einem „großen Bürgertäuschungsmanöver“. Entlastungen und die Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten seien jahrelange freiheitliche Forderungen, „die Nehammer schon längst in den letzten Jahren umsetzen hätte können“, meinte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Dagegen habe die schwarz-grüne Regierung die Menschen mit neuen Steuern „wie der CO2-Steuer oder der ORF-‚Zwangssteuer‘“ belastet.

Auch die NEOS warfen der ÖVP fehlende Glaubwürdigkeit vor. Österreich sei nach 37 Jahren mit der ÖVP in der Regierung „ein absolutes Höchststeuerland“, kritisierte der pinke Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Stellungnahme. „Und ausgerechnet die Partei, die uns die immense finanzielle Belastung eingebrockt hat, verspricht jetzt plötzlich die große Entlastung und einen Regimewechsel?“, so Loacker: „Wer soll das glauben?“

Die Arbeiterkammer (AK) kritisierte die Pläne zur Senkung der Lohnnebenkosten als „Frontalattacke gegen den Sozialstaat“ und „trojanisches Pferd für arbeitende Menschen“. Denn es gehe um wichtige Sozialstaatsbeiträge, mit denen die Kernleistungen des Sozialwesens bei Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder für Familien finanziert würden, so AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten im Falle einer Senkung „für die Einnahmeausfälle einspringen, weil sie 80 Prozent des Budgets finanzieren, während ihnen gleichzeitig Kürzungen der Sozialleistungen drohen“.