„Wir leben in einer extrem aufgeladenen, ungesunden Atmosphäre.“ Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, redete beim CEO-Lunch der Kleinen Zeitung am Mittwoch nicht lange um den heißen Brei. Es sei im dringenden Interesse des Standorts, dass es nach den Wahlen im kommenden Jahr „eine Koalition gibt, die auch inhaltlich zusammenarbeiten kann, doch das wird, wenn es eine Dreierkoalition für eine Mehrheit braucht, zunehmend unwahrscheinlich“.

Neumayer konzediert, dass die Regierung von ÖVP und Grünen unter Wert geschlagen werde. Der Grund liegt für ihn in der Kommunikation: „Die ÖVP funktioniert nicht, weil sie schlecht gemanagt ist und derzeit noch über keine funktionierende politische Erzählung verfügt.“ Dabei ist Neumayer überzeugt: Die Partei sei nach wie vor grundsätzlich mehrheitsfähig, doch ob sich dies bis zu den nächsten Wahlen noch ändert, da werden die Zweifel größer. In der SPÖ habe wiederum eine kleine Gruppe linker Funktionäre die Macht erobert, „dabei bräuchte es in der aktuellen Lage dringend eine mittige Sozialdemokratie“.

IV-Generalsekretär Christoph Neumayer
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer © Christoph Kleinsasser

„Herr und Frau Österreicher verlangen Lösungen für ihre Probleme“

„Vielleicht muss es zuerst einen Crash geben, bevor es wieder besser werden kann“, kommentiert PORR-CEO Karl-Heinz Strauss die politische Lage mit all der wechselseitigen Vernaderung und Denunziation der Parteien. Dass die aktuellen Umfragen, die die FPÖ unangefochten an der Spitze sehen, auch das Wahlergebnis widerspiegeln werden, will Strauss aber noch nicht glauben: „In der Wahlzelle kann sich das noch ändern.“ Unter seinen rund 20.000 Mitarbeitern sei die Stimmung jedenfalls längst nicht so düster, wie es die öffentliche Debatte vermittle. Trotzdem: „Herr und Frau Österreicher verlangen Lösungen auf ihre Probleme und Sorgen“, egal, ob es um irreguläre Migration oder wirtschaftliche Sorgen gehe – und daran mangle es.

Gerda Holzinger-Burgstaller, CEO Privatkunden bei der Erste Bank, wundert sich, warum die Politik keinen Strategiewechsel vollzieht, wenn klar sei, dass der bisherige Kurs nicht funktioniere – „ein solches Vorgehen wäre in der Privatwirtschaft unvorstellbar“. Und nach der Lektüre der Leitanträge zum jüngsten SPÖ-Bundesparteitag stellt sie ernüchternd fest, dass der einstige breite politische Konsens bei den Themen Wirtschaftsstandort und Marktwirtschaft erodiere. Für Holzinger-Burgstaller gilt: „Wir müssen das Wahljahr 2024 irgendwie überstehen und dann hoffentlich Schwung holen für einen Aufschwung.“

Ideen werden wirtschaftlich nicht zu Ende gedacht

„Es gibt gute Ideen“, gesteht Andreas Holler, Managing Director der Wohnbaugesellschaft Buwog, der Politik zu, „aber diese sind zu oft wirtschaftlich nicht zu Ende gedacht.“ Die Vorgabe etwa, dass neu bebaute Flächen zu zwei Dritteln mit sozial geförderten Wohnungen bebaut werden müssen, sei als Ziel unterstützenswert, nur lasse es sich wirtschaftlich nicht umsetzen. Auch beim Mietpreisdeckel sei längst geklärt, dass er nicht zu den gewünschten Effekten bei den Mieten führe. Generell fehle der Politik der Mut zu Entscheidungen, zu oft gelte: „Lieber gar nichts machen, als das Risiko eingehen, einen Fehler zu machen.“

Im Rahmen des CEO-Lunchs der Kleinen Zeitung laden Geschäftsführer Thomas Spann und Chefredakteur Hubert Patterer Spitzenkräfte der Wirtschaft zu Diskussionen in die Wiener Niederlassung am Lobkowitzplatz ein. Für das leibliche Wohl sorgten dieses Mal der Kärntner Spitzenkoch Hubert Wallner und der steirische Winzer Simon Engel.