Wie steht es um Österreichs finanzpolitische Stabilität? Welche Rezepte hat die ÖVP gegen den drohenden Absturz bei den kommenden Wahlen? Das waren die großen Fragen, die sich durch das Gespräch von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Chefredakteur Hubert Patterer am Montagabend beim wieder einmal bis auf den letzten Platz gefüllten Kleine-Zeitung-Salon in der Wiener Redaktion am Lobkowitzplatz zog.

Welche Vorbereitungen trifft die Republik, um sich gegen einen möglichen Zusammenbruch des Immobilien-Imperiums von René Benko zu wappnen? Bekanntlich sind mit Raiffeisen Bank International und Bank Austria zwei große heimische Banken erheblich bei Benko investiert. Er, Brunner, habe die Europäische Zentralbank als auch die Österreichische Nationalbank offiziell und schriftlich um eine Einschätzung gebeten. Beide hätten bestätigt, dass keine unmittelbare Gefahr für den Finanzplatz drohe und auch die betroffenen Institute finanziell stabil seien, selbst wenn es zu Abschreibungen bei den aushaftenden Krediten kommen sollte.

„Mir sind auch keine offenen Steuerschulden Benkos gegenüber der Republik bekannt“, stellt Brunner fest, der auch betont, dass er keinerlei Naheverhältnis zum umstrittenen Investor habe. Auch bei den Corona-Förderungen gebe es nach bisherigen Prüfungen keine Anzeichen von ungerechtfertigten Zahlungen oder Bevorzugungen.

„Kritik am Budget greift zu kurz“

Was den Haushalt 2024 angeht, zeigte sich: Wenn zwei vom gleichen Budget reden, meinen sie nicht dasselbe. Die Vorhaltungen, dass das soeben vom Nationalrat beschlossene Budget mit einem Minus von 20,9 Milliarden Euro laut Experten wie dem Fiskalrat-Vorsitzenden Christoph Badelt eine höhere Neuverschuldung eingehe als eigentlich notwendig und Österreich nun bei Pro-Kopf-Verschuldung mit 40.232 Euro auf Platz 23 von 27 EU-Staaten liegt und sogar hinter Griechenland zurückgefallen ist, bestreitet Brunner nicht. Aus seiner Sicht greift diese Kritik allerdings zu kurz.

Finanzminister Brunner zu Gast im Kleine-Zeitung-Salon
Finanzminister Brunner zu Gast im Kleine-Zeitung-Salon © Aufreiter Georg

So halte Österreich mit 2,7 Prozent Budgetdefizit im Unterschied zu den meisten Euro-Staaten die Maastricht-Vorgabe von maximal 3 Prozent ein. Auch sinke die Staatsverschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung „leicht, aber doch“ von über 78 auf 77 Prozent.

Vor allem aber verweist Brunner auf die Umstände, unter denen dieses Budget zustande gekommen sei. So habe sich der Staat durch die Abschaffung der kalten Progression allein für 2024 Einnahmen von 3,6 Milliarden Euro selbst gekürzt. Hinzu komme, dass die Konjunkturprognose im Juni noch plus 0,5 Prozent betragen hatte, im Oktober dann aber auf minus 0,5 Prozent abgesackt ist: „Ein Prozentpunkt weniger Wachstum lässt das Defizit um 0,5 Prozent steigen“, betont Brunner.

Was antwortet Brunner auf den Vorwurf Badelts, dass die Regierung „aufhören muss, das Geld hinauszuwerfen“. Badelt müsse als oberster Schuldenwächter nur einen Ausschnitt im Auge haben, während es die Verantwortung der Regierung sei, die gesamtwirtschaftlichen und gesamtstaatlichen Folgen zu berücksichtigen. Dass jeder vierte Euro im Budget für Pensionen aufgewendet werden muss, konterte Brunner mit dem Hinweis, dass mehr als die Hälfte aller Ausgaben in Zukunftsthemen wie Forschung und Entwicklung, nachhaltige Mobilität und die ökologische Transformation der Wirtschaft fließe.

Pensionen als Pflichtthema für die nächste Regierung

Während Brunner das kräftige Gehaltsplus bei den Beamten von 9,15 Prozent – „entspricht der rollierenden Inflation und war exakt mit diesem Betrag im Budget eingepreist“ – verteidigt und einen Vergleich mit Metallern oder Handelsangestellten nicht gelten lässt, sieht er keine Notwendigkeit, an der bestehenden Regelung des 13. und 14. Monatsgehalts zu rütteln.

Anders bei den Pensionen: Hier werde die nächste Regierung, egal, wie diese aussieht, Änderungen angehen müssen, um das faktische Pensionsantrittsalter angesichts der steigenden Lebenserwartungen schneller zu erhöhen und an das gesetzliche anzupassen: „Dass das faktische Antrittsalter in den vergangenen zehn Jahren nur um zwei Jahr angehoben wurde, ist bei weitem nicht genug“, so Brunner, „das muss ein Thema für die nächsten Regierungsverhandlungen sein“.

Klimapolitik mit, nicht gegen Menschen und Wirtschaft

Was müsste die ÖVP tun, um den weiten Platz in der politischen Mitte, der sich zwischen einer hart rechts positionierten Kickl-FPÖ und der betont linken Babler-SPÖ auftut, zu besetzen? Für Brunner sollte sich die ÖVP wieder auf die Prinzipien einer klassischen ökosozialen Marktwirtschaft konzentrieren, hier liege das „eigentliche Fundament der Partei“. Dies bedeute einen Ausgleich zwischen notwendigen Entscheidungen für den Wirtschaftsstandort, ohne dabei den Kampf gegen den Klimawandel und für das Soziale zu vernachlässigen – „nicht ausschließend, sondern in Verbindung mit technologischen Innovationen und finanziellen Investitionen sowie zusammen mit Bevölkerung und Unternehmen und nicht über deren Köpfe hinweg“.

Gelinge dies, sei er „nach wie vor optimistisch, dass die ÖVP bei den Nationalratswahlen Erster werden kann. Wir müssen alles daran setzen, FPÖ-Obmann Herbert Kickl als Bundeskanzler zu verhindern.“ Dazu brauche es kommunikative Verbesserungen, um die Erfolge und Reformen dieser Regierung auch zu vermitteln, auch wenn Brunner zugesteht, dass dies einfach gesagt als getan sei angesichts der vorgeblich einfachen Lösungen, die Populisten aller Farben ständig bereithalten. „Aber nicht alles, was auf den ersten Blick super klingt, hält auch einem kritischen Blick stand.“ Das deutlich zu machen, gehöre zu seinen Aufgaben als Finanzminister.

Die Gretchenfrage dann zum Schluss: Stünde Brunner nach einer allfälligen Niederlage als neuer ÖVP-Obmann, der die Partei dann neu ausrichten müsse, zur Verfügung? Nein, so Brunner, er konzentriere sich bis zur Wahl – „und sehr gerne auch danach“ – auf seine Arbeit als Finanzminister. „Welche Konstellationen dann kommen, wird man sehen“.