Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler ortet zunehmend ein „total vergiftetes Klima“ auf Bundesebene. „Langsam frage ich mich, wer mit wem überhaupt noch eine Koalition eingehen will. Ich höre immer nur Koalitionsabsagen. Wenn es so weitergeht, wird dem Bundespräsidenten nichts anderes übrig bleiben, als noch einmal eine Expertenregierung anzugeloben.“

In einem Interview mit der Bundesländerzeitung richtet der ÖVP-Politiker einen eingehenden Appell an SPÖ-Chef Andreas Babler, der einer Koalition mit der Volkspartei skeptisch gegenübersteht. „Ich habe viel Verständnis für Parteitagsrhetorik. Am Ende muss auch in der SPÖ Staatsräson und Vernunft Platz greifen.“ Drexler outet sich einmal mehr als Befürworter einer Koalition aus ÖVP und SPÖ. „Es gibt einen Markt für eine vernünftige Politik der Mitte.“ Von einer Dreier-Koalition halte er nichts. „Da reicht ein Blick nach Deutschland.“

Drexler offen gegenüber Koalition mit FPÖ

Grundsätzlich stehe er einer Koalition mit der FPÖ offen gegenüber. „Mit der FPÖ unter Kickl ist das nicht möglich. Kickl war nicht nur der schwächste Innenminister der Zweiten Republik. Er hat mit der Zerschlagung des BVT ein Sicherheitsvakuum aufgetan. Seine Ansichten gehen ins Obskure und Bizarre.“ Er frage sich auch, wie es möglich sei, dass „eine Partei, die in Ibiza eine völlig moralische Bankrotterklärung ihrer Spitzenfunktionäre abgegeben hat, heute bei 32 Prozent liegt und noch dazu den Eindruck erweckt, sie sei moralisch integer“.

Drexler bleibt zuversichtlich, dass die ÖVP trotz schlechter Umfragen gut abschneiden wird. „Ich traue Nehammer noch einiges zu. Ich glaube, dass er sich noch einen Kanzlerbonus erwirtschaften wird.“ Über Sebastian Kurz wolle er kein schlechtes Wort verlieren. „Er war ein Ausnahmetalent.“ 

Bei der Migration habe sich in den letzten Wochen seine Meinung „zugespitzt.“ „Wir müssen ein offenes Land sein für Forscher, Wissenschaftler, Krankenschwestern. Gleichzeitig brauchen wir keine illegale Migration.“ Den jüngsten Entwicklungen begegne er mit Entsetzen. „Wir haben seit 2015 Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Antisemitismus importiert. Wenn jemand das Existenzrecht Israels infrage stellt, Fahnen herunterreißt, muss er abgeschoben werden. Da bin ich für eine Null-Toleranz.“

Kritik an Haltung der Ärztekammer

Am Vorabend des Schlussspurts zu den Verhandlungen über einen Finanzausgleich zeigte sich Drexler zuversichtlich, dass man „einen für alle Seiten vertretbaren Kompromiss finden“ werde. Im Gespräch übt der ÖVP-Politiker Kritik an der bisweilen sturen Haltung der Ärztekammer. „Es ist klar, dass eine Gesundheitsreform ohne Ärzte unmöglich ist. Ich appelliere allerdings an die Verantwortlichen in der Ärztekammer, mehr auf ihre Mitglieder zu hören. Die jüngeren Ärztinnen und Ärzten wollen sehr gern in den Gesundheitszentren arbeiten. Da nimmt die Kammer eine Position ein, von der ich glaube, dass sie sich nicht mit der Meinung der Mitglieder deckt.“

Einmal mehr rechnet Drexler mit der paternalistischen Haltung des Bundes im Umgang mit den Ländern ab. 

„Es herrscht die Vorstellung vor, dass der Bund ein einziger Effizienzcluster ist und leider Geld an andere Gebietskörperschaften überweisen muss, die damit unsachgemäß umgehen. Das ist Unfug.“ Eine Spitze gegen den Gesundheitsminister darf nicht fehlen. „Mir braucht Rauch nicht zu erklären, wie man eine Gesundheitsreform anpackt. Er hat noch keine angepackt, wir haben schon mehrere Reformen umgesetzt.“

Der Finanzausgleich sollte in jedem Fall einer generellen Reform unterzogen werden. „Es kann nicht sein, dass man sich immer erst zum Schluss zusammensetzt. Man sollte Wege finden, um im permanenten Austausch zu bleiben.“ Dann hätte man schon früher erkannt, dass ausgerechnet jene Bereiche, für die die Länder zuständig sind, also Spital, Bildung und Pflege, aus demografischen Gründen einer besonderen Ausgabendynamik unterliegen. „Die Erzählung, dass die Länder unter Kuratel zu stellen sind, besachwaltet werden müssen, ist jenseitig.“

Das Gesundheitssystem funktioniert besser, als manche glauben, Drexler streitet eine weitverbreitete Unzufriedenheit nicht ab. „Die Patienten haben ein Hauptthema: Warum bekomme ich so lange keinen Termin? Das liegt auch daran, dass jeder gleich ins Spital fährt, wenn ihm was wehtut. Wir sind zu spitalslastig. Da müssen wir umsteuern. Dafür braucht es eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs und eine Steuerung, etwa durch das Gesundheitstelefon.“