In Brüssel präsentierten sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel vor dem G7-Treffen in Eintracht und orteten schon vorab auch eine Reihe von Überschneidungspunkten mit der neuen USA-Führung. Übereinstimmende Marschrichtungen sehen sie bei den Bemühungen um den wirtschaftlichen Wiederaufschwung, ebenso beim Kampf gegen den Klimawandel. In den Worten von der Leyens klingt das so: "Wir freuen uns in der Tat sehr auf diesen G7-Gipfel, bei dem die G7-Länder, gleich gesinnte Länder, die dieselben Werte teilen, dieselben Interessen haben und auch die gleiche Weltsicht teilen, endlich wieder zusammenkommen. Es ist gut, dass die USA zurück sind, und es ist gut, dass dadurch auch die G7 wieder zurück sind."

Die EU sei nach der Corona-Krise besser aufgestellt als damals nach der Finanzkrise, sagte von der Leyen; man habe wirksame Instrumente zur Verfügung und könne sehr rasch reagieren. Die gesamte finanzielle und fiskalpolitische Unterstützung in der EU mache zwischen 2020 und 2023 rund 18 Prozent des BIP aus, damit bewege man sich in gleicher Höhe wie die USA.

Schwieriger sind die Positionen in der Außenpolitik zu fassen, die morgen Hauptthema des Gipfels in Cornwall ist. Beide, Michel und von der Leyen, rechnen mit einer Wiederauferstehung des Multilateralismus und der „demokratischen Werte“. Das führt zur Frage, wie man mit Weißrussland, Russland oder China umgeht, wobei sich die EU eher auf Russland konzentriert, die USA auf China. Viel Augenmerk liegt daher auch auf dem Montag, wenn Joe Biden am Nato-Gipfel in Brüssel teilnimmt. Hier wird es unter anderem darum gehen, wie sich die USA in Hinblick auf die Türkei verhalten, ein sehr wichtiger Nato-Partner und gleichzeitig ständiger Quell von Ärger für die EU.

Michel äußerte auch die Hoffnung, dass sich die sieben wichtigsten Industriestaaten gemeinsam zu einer weltweiten Mindeststeuer für Unternehmen bekennen. Dies wäre ein wichtiges politisches Signal auch an die 27 EU-Staaten, sagte er in Anspielung an Länder wie etwa Irland oder Luxemburg.

Reiche und arme Länder

Einig sind sich die beiden Blöcke grundsätzlich darüber, dass man bei der Versorgung der ärmeren Drittländer mit Impfungen gemeinsam vorgehen soll. Einer Freigabe der Patente, wie gestern vom EU-Parlament in einer Resolution gefordert, stehen die EU-Präsidenten weiterhin skeptisch gegenüber. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte am Donnerstag an, gemeinsam mit Südafrika auf dem G7-Gipfel einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, um an einer zeitlich und räumlich begrenzten Ausnahmeregelung zu arbeiten. Merkel und die EU-Kommission sprachen sich erneut gegen eine Aussetzung aus. Kritiker einer Freigabe argumentieren, nicht die Patente seien das Hindernis, sondern Produktionskapazitäten, Kenntnisse und Rohstoffnachschub. Stattdessen will die EU zunächst eine Milliarde Euro bereitstellen, um die Produktion von mRNA-Impfstoffen direkt in Afrika möglich zu machen; man erhofft sich dabei auch, dass mithilfe der modernen Technologie auch anderen Gesundheitsgefahren, etwa Tuberkulose oder Malaria, beizukommen ist.

Joe Biden hat ja vor seiner Abreise nach Europa in Aussicht gestellt, 500 Millionen Impfdosen für benachteiligte Länder zur Verfügung zu stellen - freilich erst, nachdem in den USA selbst genug Dosen vorhanden waren. Parallel dazu hat die EU von den 700 Millionen Dosen, die hier produziert worden, rund die Hälfte, also 350 Millionen, bereits an ärmere Länder ausgeliefert. Trotz all der anfänglichen Schwierigkeiten mit der Impfstoffbeschaffung. Boris Johnson will 100 Millionen Dosen spenden, ebenfalls über das bereits bestehende Covax-Programm, das bisher vor allem von der EU gespeist wurde. Derzeit sieht es danach aus, als würde der Wille, anderen Erdteilen unter die Arme zu greifen, auch im Schlusskommuniqe des Gipfels festgehalten werden.

Die G7-Staaten wollen bei dem Gipfel ihre Kräfte bündeln, um die Pandemie zu bekämpfen und die Welt besser für künftige Virusausbrüche zu rüsten. "Globale Lösungen sind gefordert", steht in dem Entwurf einer "Gesundheitserklärung von Carbis Bay". Darin verpflichten sich die Staats- und Regierungschefs, "die kollektiven Abwehrkräfte zu stärken, um durch wirksames multilaterales Handeln und ein gestärktes globales Gesundheitssystem besser gegen künftige Pandemien vorzubeugen, diese zu entdecken, darauf zu reagieren und sich davon zu erholen".

Streit um Patentfreigabe geht weiter

Entwicklungshilfeorganisationen kritisieren die Pläne als unzureichend und fordern darüber hinaus eine Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe, die Weitergabe von Technologie zur Impfstoffproduktion und Investitionen in regionale Produktion weltweit. Die Organisationen Oxfam, World Vision oder One forderten Merkel auf, dem Beispiel von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, US-Präsident Joe Biden sowie Indiens und Südafrikas zu folgen und ihre Unterstützung für eine befristete Freigabe der Patente zu erklären. Merkel und die EU-Kommission hatten sich wiederholt dagegen ausgesprochen, weil es aus ihrer Sicht die Probleme nicht löse.