Es ist die Stunde der Parlamentarier. So oft auch den Volksvertretern im Europäischen Parlament nachgesagt wird, sie bekämen zwischen Kommission und Rat die meiste Zeit nur eine Statistenrolle, so sicher gibt es auch Gelegenheiten zur Machtdemonstration. Wie jetzt: Erstmals in der Geschichte hat der Justizausschuss zwei Kandidaten der Kommission schon vor den eigentlichen Hearings aus dem Spiel genommen.

Beide waren längst auf der Liste der Wackelkandidaten, dennoch kam das jähe Aus unerwartet. Die rumänische EU-Kommissarsanwärterin Rovana Plumb (Postkommunisten/PSD) sowie der ungarische Fidesz-nahe Kandidat Laszlo Trocsanyi wurden zu den Hearings wegen, wie es hieß, finanzieller Interessenskonflikte nicht zugelassen. Sie haben zwar theoretisch einige Tage Zeit, ihre Dinge in Ordnung zu bringen, aber zum einen ist das unrealistisch und zum anderen muss man davon ausgehen, dass sie ohnehin durch das Plenum nicht bestätigt würden.

Ist das nun eine Retourkutsche an den Rat, der das vom Parlament forcierte Spitzenkandidatensystem überging und mit Ursula von der Leyen eine neue Präsidentin installierte, die gar nicht für das Amt kandidiert hatte? Nicht unbedingt. Das Parlament, bestärkt durch die hohe Wahlbeteiligung, nutzt den Augenblick der Stärke für eine wesentliche Botschaft: Es geht bei den höchsten Ämtern Europas nicht nur um Personen, die nicht mit dem Gesetz in Konflikt stehen (gegen Plumb, Trocsanyi und mehrere andere Kandidaten laufen Verfahren, deren Ausgang aber noch unklar ist), es geht auch um die Frage der Moral.

Wer Kommissar werden will, muss unabhängig von seinem Heimatland im allgemeinen Interesse der EU tätig und "über jeden Verdacht erhaben" sein. Trickser, Blender und juristische Gratwandler haben da nichts zu suchen.

Eine Breitseite für von der Leyen? Nein - eher ein Schuss vor den Bug. Die designierte Präsidentin muss damit gerechnet haben.