Claudia Gamon mag Star Wars, Einhörner und die Fernsehserie „Game of Thrones“. Sie spielt gern Videospiele und hat ein Faible für Musik von starken Künstlerinnen wie Björk, Kate Bush oder Beyoncé. Ihnen hört sie zu, wenn sie aufgrund ihrer Beziehung zu einem Hotelier zwischen Wien und dem Bregenzerwald pendelt. Sie mag Bergtouren, schätzt gelegentliche Ballbesuche und beim Laufen verirrt sie sich gern in den Wiener Augarten.

Um private Dinge wie diese über die EU-Spitzenkandidatin der Neos herauszufinden, bedarf es keiner exzessiven Umfrage in ihrem engsten Umfeld, sondern lediglich eines Blickes in die sozialen Netzwerke. Das Spiel mit ihnen beherrscht die 30-Jährige, die die einzige Frau unter den Spitzenkandidaten ist, wie keine andere in der EU-Runde. Sie weiß es, ihre politischen Positionen geschickt in die digitalen Kanäle zu speisen, ohne dabei anbiedernd zu wirken. Ein Vorteil, den wohl auch ihr jugendliches Alter – von Kandidat Johannes Voggenhuber trennen sie 38 Jahre – mit sich bringt.

Doch gleichzeitig dürfte genau das auch ihr größtes Handicap sein. Politologen sehen Gamon bei jungen Wählern weit vorne, in anderen Alterssegmenten werden ihr jedoch deutlich weniger Chancen eingeräumt. Ihr fehle die Erfahrung, ist von Wählern häufig zu hören.

Kein Neuling auf dem Polit-Parkett

Dabei ist Gamon bei Weitem kein Neuling auf dem politischen Parkett – zumindest dem innenpolitischen. Nach der Matura macht sich die gebürtige Vorarlbergerin nach Wien auf, um dort an der Wirtschaftsuni zu studieren. Sie engagiert sich bei den Jungen Liberalen (Julis), übernimmt dort mit Anfang 20 das Ruder und bringt die Randgruppe als Kandidatin bei den ÖH-Wahlen ins Studentenparlament. Zwei Jahre später lässt sie sich erneut aufstellen, ein Schritt, der Seltenheitswert in der Hochschulpolitik hat, in der sich viele Kandidaten nach einer Amtszeit wieder verabschieden.

Ihr Umfeld hat das nicht überrascht, wird sie dort doch als zielstrebig, ehrgeizig, willensstark, aber auch als stur und unnachgiebig beschrieben. Gamon sei ein hochpolitischer Mensch, der gern diskutiert und sich darauf auch gewissenhaft vorbereitet. Die heutige Spitzenkandidatin zeigt im Wahlkampf keine Berührungsängste mit dem Volk und gibt sich nahbar. Das bescheinigen ihr auch Wegbegleiter. In TV-Diskussionen konnte sie mehrfach mit Ruhe und Sachlichkeit punkten. Von ihrem Vorarlberger Akzent ist nach mehr als zehn Jahren in Wien keine Spur mehr.

Jugend, Frauen, Wissenschaft

Vorn dabei war Gamon auch später bei der Gründung der Neos, wo sie bis heute dem stark wirtschaftsliberalen Flügel der Partei zugerechnet wird. Ihre Studententruppe hört seither auf den Namen „Junos“, sie selbst rückte nach dem Wechsel von Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in die Wiener Landespolitik im Herbst 2015 in die pink gefärbten Ränge des Nationalrates auf. Dort engagierte sie sich seither unter anderem für Frauenthemen, Digitalisierung, Wissenschaft, Medien und Europa.

Glühende Europäerin

Dass sie Letzteres nun zu ihrem Kernthema machen will, hat auch mit dem Abgang ihrer eher glücklosen Vorgängerin Angelika Mlinar zu tun, die wegen „mangelnder Unterstützung“ das Handtuch warf. Dennoch war Gamon innerhalb ihrer Partei eine logische Wahl, gilt sie doch als glühende Europäerin. Dazu habe sie auch einen Erasmus-Studienaufenthalt absolviert. Dort habe sie laut eigenen Angaben den Austausch mit anderen Kulturen genossen, die dennoch ein gemeinsames europäisches Verständnis haben.

Im Wahlkampf gehören bisher ihre Forderung nach einem europäischen Pass und ihre ablehnende Einstellung zu Österreichs Neutralität zu den bekanntesten Eckpunkten ihres Programms. Ein zweites pinkes Mandat soll nach der Wahl für die Partei herausschauen, hat Gamon erklärt. Sie selbst würde übrigens lieber Kommissionspräsidentin als Bundeskanzlerin werden.