Beim EU-Beitritt Österreichs waren Sie sechs Jahre alt. Woran haben Sie damals gemerkt, dass etwas anders ist?
Es gab keine Grenzkontrollen mehr, wenn wir in den Urlaub gefahren sind. Und die Einführung des Euro fand ich damals total aufregend, vor allem, das erste Mal einkaufen gehen mit der neuen Währung.

Heute ziehen Sie als Spitzenkandidatin in den EU-Wahlkampf. Ihre Vorgängerin im EU-Parlament, Angelika Mlinar, hat ihr Nicht-Antreten damit begründet, „zu unabhängig und zu liberal“ zu sein. Sind Sie pflegeleichter?
(lacht) Das hat man mir noch nie nachgesagt.

Die Neos treten für eine EU ein, die sich als großes Ganzes versteht. Können Sie dem Nationalstaat so gar nichts abgewinnen?
Die Frage ist, wie wir die EU weiterentwickeln und das muss sich ja nicht zwangsläufig widersprechen. Es geht darum, wie man europäische Identität leben kann. Man muss nicht nur Österreicherin oder Vorarlberger sein, wir sind so bunt wie Europa selbst. Was uns eint, ist unser Verständnis von Menschenrechten und Demokratie.

Der Rückzug einiger EU-Mitglieder auf den Nationalstaat scheint dieser Einigkeit zu widersprechen. Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Ja, klar. Donald Trumps Verbündete im Geiste gibt es in ganz Europa und die sind in den letzten Jahren sicher stärker geworden. Das hat meiner Meinung nach aber auch damit zu tun, wie die Establishment-Parteien auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert haben.

In ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, dass es manchmal „urmühsam“ ist, europäisch zu sein. Wann geht Ihnen das Europäisch sein auf die Nerven?
Oft ist das, was man von diesem aktuellen Europa mitbekommt nur, wo überall blockiert wird und dass man bei den großen Themen keine Meter macht. Und deshalb sollte man ein paar mühsame Dinge überspringen dürfen, damit die Europäische Union handlungsfähiger wird.

Was könnte in der Migrationsfrage, „übersprungen“ werden?
Man sollte sich hier den Prozess ansehen, wie wir zu Lösungen kommen. Wir Neos haben ja einige Vorschläge auf den Tisch gelegt, unter anderem eine EU-Asylbehörde. Und wenn dann manche nicht mitmachen wollen, müssen eventuell ein paar Staaten als „Koalition der Willigen“ vorangehen und einfach machen. Dass das funktioniert, hat sich bei Schengen und Euro gezeigt, wo Staaten nachträglich beigetreten sind. Das Thema Migration ist dringend und deshalb ist es wichtig, zu zeigen, dass die EU liefern kann. Im Moment werden nur Versprechungen gemacht, die nicht gehalten werden können.

Zahlreiche Mitgliedsstaaten bemängeln genau das und setzen eigene Maßnahmen.
Aber eben diese Mitgliedsstaaten sind gefragt, wenn es darum geht, das Bild der Europäischen Union – oder wie sie dann auch immer heißen wird – besser zu machen. Es geht nicht, dass man in Brüssel das eine und daheim etwas anderes sagt. Aber wer Europa liebt, muss es auch kritisieren und aufzeigen, wenn der Status quo unbefriedigend ist.

„Wie sie dann heißen wird“?
Ja. Wir sind für die Bezeichnung „Vereinte Staaten von Europa“, um zu betonen, dass die Struktur eine andere sein sollte. Die Kommissionspräsidenten sollten direkt wählbar sein, es sollte transnationale Wählerlisten, einen europäischen Pass sowie eine EU-Verfassung und -Verteidigung geben.

Womit wir bei der von Ihnen geforderten EU-Armee wären – und Ihrer Aussage, dass die Neutralität Österreichs überholt sei.
Es geht um die Frage, wie man ein souveränes Europa garantieren kann. Wir sind mit dieser Aussage deshalb allein, weil sich die anderen nicht trauen, darüber nachzudenken, was es bedeutet, wenn Europa für seine Sicherheit selbst verantwortlich ist. Derzeit hoffen wir, dass uns die Nato beschützen wird. Doch dort sitzen Erdogan und Trump. Deshalb braucht es ein europäisches Berufsheer.

Und was soll dieses Heer genau machen? Grenzschutz? In Syrien einmarschieren?
Grenzschutz auf keinen Fall – dafür gibt es Frontex, das gestärkt gehört. Sondern das EU-Heer sollte dieselben Aufgaben erledigen wie jene in den Mitgliedsstaaten. Zum Beispiel Katastrophenschutz. Es soll ein einheitliches Kommando und eine gemeinsame Beschaffung geben. Das viele Geld, das für Sicherheit ausgegeben wird, wäre so besser eingesetzt.

Soll es nationale Heere dann überhaupt noch geben?
Man müsste das schrittweise entwickeln. Es gibt ja schon eine projektartige Zusammenarbeit, Österreich bildet zum Beispiel in anderen Ländern Gebirgsjäger aus. Das könnte man ausbauen. Wir haben ja noch die Wehrpflicht. Wenn wir eine EU-Freiwilligenarmee haben, kann das heimische Bundesheer natürlich noch eine Zeit lang nebenbei existieren.

Aber auf lange Sicht?
So weit in die Zukunft lässt es sich schwer planen. Aber das wäre ein Entwicklungsschritt, weil wir grundsätzlich gegen die Wehrpflicht sind.

Apropos Kampf: Was werden Sie tun, damit sich der EU-Wahlkampf nicht auf ein Match „ Karas gegen Vilimsky“ zuspitzt?
Wir haben mit den Vereinten Staaten von Europa und der EU-Armee gut vorgelegt und wollen auch künftig auf Themen setzen – im Gegensatz zu dem inszenierten Wettbewerb zwischen zwei Koalitionspartnern.