Der Abschied auf Raten, er wird vermutlich diese Woche noch um ein Kapitel reicher werden. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Europaminister Gernot Blümel am Montag in Brüssel bestätigte EU-Chefverhandler Michel Barnier, was er schon am Sonntagabend hatte durchklingen lassen: Es wird erwogen, den Briten für einen geordneten Rückzug aus der EU eine Verlängerung der Übergangsfrist zu gewähren. Bisher war man von einer Frist von 21 Monaten bis Ende 2020 ausgegangen. Aus gutem Grund: Dann endet nämlich der aktuelle mehrjährige Finanzrahmen und, so er rechtzeitig zustande kommt, der neue beginnt, mit einem Gesamtvolumen von 1279 Milliarden Euro.

Nun stellt man dem Vereinigten Königreich in Aussicht, dass die Übergangsfrist um zwei weitere Jahre, also bis Ende 2022, verlängert werden könnte. Ein Zeitgewinn, der, wie Barnier sagte, für den Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen in Großbritannien eingesetzt werden kann und der Wirtschaft Gelegenheit gibt, sich auf die neue Lage besser einzustellen. Aber auch ein Zeitraum, in dem die Briten weitere Millionen in den EU-Topf einzahlen müssten, ohne daraus Rechte ableiten zu können, sehr wohl aber alle EU-Pflichten einhalten müssen. Eine ebenso späte wie teure Erkenntnis, die schon bei der kürzeren Variante für Aufregung gesorgt hat. Beschlossen ist das alles freilich noch nicht, es könnte aber zu einem der Ergebnisse dieser Woche führen. Voraussetzung ist, dass die Austrittsvereinbarung von allen angenommen wird.

Am Sonntag findet ja ein Sondergipfel statt; wie es heißt, werden die EU 27 ihre Standpunkte erörtern, im Lauf des Treffens wird auch Theresa May dazustoßen, um den aktuellen Stand der Dinge aus Londoner Sicht zu präsentieren. Vorausgesetzt, May ist dann noch im Amt. Bis Montag Nachmittag waren 42 von 48 nötigen Briefen eingegangen, die einen Misstrauensantrag gegen May ermöglichen sollen. Eine entsprechende Abstimmung könnte schon heute stattfinden; mit großer Wahrscheinlichkeit, heißt es dazu aus London, würde May aber diese Abstimmung überstehen und dann sogar gestärkt daraus hervortreten.

Zankapfel Gibraltar

Voraussichtlich ebenfalls heute wird die Langfassung jener politischen Deklaration veröffentlicht, die gestern von den Ministern der 27 in Brüssel erarbeitet wurde und schon in groben Zügen bekannt ist. Auf sechseinhalb Seiten (heute sollen es dann etwa 20 sein) formulieren die Mitglieder Willensbekundungen, wie sie sich die künftigen Beziehungen vorstellen. An sich herrscht große Einigkeit, zuletzt wurde allerdings der Unmut der Spanier etwas lauter, die mit den Vorschlägen zu Gibraltar nicht ganz einverstanden sind.

Der österreichische Europaabgeordnete Othmar Karas (ÖVP) sprach sich darüber hinaus „gegen jede Form der Neuverhandlung des Scheidungsvertrages“ aus und konstatierte: „Der Brexit ist ein tragisches Beispiel, wie man mit Lügen Abstimmungen gewinnen kann, aber kein einziges Problem der Bevölkerung löst und ein ganzes Land ins Chaos stürzt.“