Eine Resolution des EU-Parlaments stellt die Eignung Ungarns infrage, 2024 den EU-Ratsvorsitz zu übernehmen. Da sie von fünf der sieben Parteien des Parlaments unterstützt wird, dürfte sie angenommen werden. Die Resolution ist zwar nicht rechtsverbindlich, hat aber Signalwirkung. Sie soll bei der Plenartagung am 1. Juni in Brüssel zur Abstimmung kommen. Österreichs EU-Abgeordnete stehen mehrheitlich hinter der Resolution; Europaministerin Karoline Edtstadler ist dagegen.

Eigentlich steht eine Resolution zu Ungarns Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte auf der Tagesordnung. Gegen Ungarn läuft das sogenannte Artikel-7-Verfahren. Dies kann zum Ausschluss aus der EU führen. Zudem wurden Gelder aus dem EU-Budget wegen Problemen mit Korruption vorläufig eingefroren. Das Parlament hat die Resolution nun ergänzt und fragt, ob Ungarn vor diesem Hintergrund der richtige Ratsvorsitz sei. In dem der APA vorliegenden Entwurf wird die Fähigkeit der Ungarn angezweifelt, die Kontinuität der EU-Agenda zu gewährleisten und den Rat in den Beziehungen zu den anderen EU-Organen zu vertreten.

Die ungarische Regierung soll ab Juli 2024, weniger als einen Monat nach den nächsten Europawahlen, turnusmäßig für sechs Monate im EU-Chefsessel Platz nehmen. Auch die Weichen für die nächste EU-Kommission werden dann gestellt. EVP, Sozialdemokraten, Liberale (Renew Europe), Grüne und Linke stehen mehrheitlich hinter der Resolution. Das Parlament fordert den Rat auf, "so rasch wie möglich eine angemessene Lösung" zu finden. Ansonsten droht das Parlament "geeignete Maßnahmen" an, die im Entwurf jedoch nicht spezifiziert werden.

Edtstadler findet Vorstoß in Zeiten der Krise "kontraproduktiv"

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) lehnte den Vorschlag am Freitag entschieden ab: "Der EU-Vertrag gibt klar vor, dass der Ratsvorsitz nach einem gleichberechtigten Turnus rotiert. Gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs ist es kontraproduktiv, mit solch vertragswidrigen Forderungen die EU intern zu spalten. Der Vorsitz leistet zudem einen wichtigen Beitrag für die positive Wahrnehmung der EU im jeweiligen Vorsitzland." Ungarn zeige Bewegung bei der Rechtsstaatlichkeit.

"Es gibt viele Beispiele dafür, dass die ungarische Regierung die Prinzipien jener EU mit Füßen tritt, von der die ungarische Bevölkerung täglich profitiert. Vielleicht wirkt die Verschiebung dieser Ratspräsidentschaft als Weckruf in Budapest. Das wäre im Interesse Ungarns sowie ganz Europas", sagte dagegen Lukas Mandl, ÖVP-Sprecher für Justiz und Innere Sicherheit im Europaparlament.

"Mit der Forderung nach Aussetzung des turnusmäßigen Ratsvorsitzes für Ungarn senden wir nicht nur ein symbolisches Zeichen, sondern stoßen damit einen wichtigen Prozess an. Der Vorsitz des Rates bringt eine große Verantwortung mit sich. Daher sollte künftig Staaten, die von einem Artikel-7-Verfahren betroffen sind, dieses Privileg entzogen werden. Wir erwarten uns bei der Abstimmung eine breite Zustimmung durch die proeuropäischen Parteien im EU-Parlament", erklärte Theresa Bielowski, SPÖ-EU-Abgeordnete und Mitglied im zuständigen Innenausschuss.

Große Bedenken

"Die Situation der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn verschlechtert sich zunehmend und beeinträchtigt die Rechte und Freiheiten der Menschen im Land. Dies ist überdies das erste Mal, dass ein Mitgliedstaat, der sich im Verfahren nach Artikel 7 befindet, die rotierende Ratspräsidentschaft übernehmen soll. Wir haben große Bedenken", erklärte Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen, auf APA-Anfrage. Die heimischen Grünen im EU-Parlament dürften der Resolution zustimmen. Dies hat auch Neos-EU-Abgeordnete Claudia Gamon vor: "Wer die EU mit Hitler vergleicht, sollte nicht mal ein Praktikum in Brüssel bekommen – geschweige denn die Ratspräsidentschaft."

Als "demokratiepolitisch befremdlich" kommentierte dagegen der freiheitliche Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, die Forderung. "Ungarn ist und bleibt ein wichtiger Partner in Europa. Allein der Gedanke, dass man Ungarn die Ratspräsidentschaft entzieht, kann man nur als demokratiepolitisch befremdlich bezeichnen."