Der neue britische Premierminister Boris Johnson stößt mit seinen Forderungen nach einer Überarbeitung des Brexit-Abkommens in Brüssel auf taube Ohren. Die Position der Europäischen Union bleibe unverändert, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag. Das mit Johnsons Vorgängerin Theresa May ausgehandelte Austrittsabkommen sei der "bestmögliche Deal". Brüssel reagiert auf Johnsons Vorwurf, die Bestimmungen des Brexit-Abkommens mit der EU sei "inakzeptabel".

Denkbar sei lediglich, die geplante politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien zu ergänzen. "Das Austrittsabkommen werden wir nicht noch einmal aufmachen", betonte Junckers Sprecherin.

Johnson hatte am Mittwoch zu seinem Amtsantritt gesagt, er sei überzeugt, dass ein geregelter EU-Austritt zum 31. Oktober machbar sei. Seine Regierung werde "einen neuen Deal, einen besseren Deal" erlangen. Notfalls werde er sein Land aber auch ohne ein Brexit-Abkommen aus der EU führen.

Nicht mit den Schotten

Das alles nicht so einfach werden könnte, wird Johnson wahrscheinlich bald im Unterhaus erfahren. Dort steht er denselben Problemen gegenüber wie seine Vorgängerin Theresa May.

Diese war im Parlament mehrfach damit gescheitert, Zustimmung zu ihrem mit der EU vereinbarten Ausstiegsabkommen zu erhalten, und hatte darauf ihren Rücktritt erklärt.

Die nordirische Partei DUP, auf deren Stimmen die Minderheitsregierung Johnsons im Unterhaus angewiesen ist, erklärte bereits, sie beharre auf einen Brexit mit einem Abkommen mit der EU. "Das ist unsere Priorität", sagte der führende DUP-Abgeordnete Jeffrey Donaldson dem Sender RTE Radio. "Wir wollen kein No-Deal-Szenario."

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon drohte Johnson unterdessen, sie werde mit den Vorbereitungen für ein Unabhängigkeitsreferendum fortfahren.

"Politischer Aderlass" für den Brexit

Der Brexit "ohne Wenn und Aber" ist jedoch das Motto des neuen Kabinetts, denn Johnson hat sich mit Gleichgesinnten umgeben, mit denen er hofft, den Brexit bis zum 31. Oktober über die Bühne zu bringen.

Johnsons radikaler Kabinettsumbau wird von vielen britischen Medien mit kräftigen Begriffen beschrieben: Mehrfach ist von einem "Massaker" die Rede, "The Sun" nannte es die "Nacht der blonden Messer" und die Financial Times einen "politischer Aderlass".

Bei seinem Regierungsumbau setzte Johnson auf allen wichtigen Schlüsselpositionen Brexit-Hardliner und treue politische Weggefährten ein. Viele Minister und Staatssekretäre wurden von ihm fallen gelassen oder kamen ihrer Entlassung mit dem Rücktritt zuvor. 

Johnson reaktivierte auch frühere Minister, die in der Amtszeit von Regierungschefin Theresa May in Ungnade gefallen waren. So wird Ex-Entwicklungsministerin Priti Patel Innenministerin. Die Politikerin, die dem rechten Tory-Flügel zugerechnet wird, hatte sich früher sogar einmal für die Todesstrafe ausgesprochen.

Der Premierminister holte sich auch Dominic Cummings in sein Beraterteam, der Stratege der Brexit-Kampagne vor dem Referendum vor drei Jahren war.