Zum dritten Mal schreiten Österreichs Wählerinnen und Wähler am 4. Dezember zu den Urnen, um einen Präsidenten zu wählen. Manche schon zum vierten Mal - die nämlich, die für die Stichwahl im September schon eine Wahlkarte abgeschickt hatten, bevor diese wieder verschoben wurde.

Alexander Van der Bellen zelebrierte seinen Wahlkampfauftakt heute am späten Nachmittag im Wiener Marx-Palast. In seiner über 30 Minuten langen Rede hob der von den Grünen unterstützte Kandidat die Vorzüge Österreichs hervor - "ein offenes, freundliches, helles, erfolgreiches Land" und meinte: "Oder wollen wir es als eine Aneinanderreihung von Katastrophen und Verschwörungen sehen?" - als eine "Art Alpen-Mordor", verwies er auf Tolkiens "Der Herr der Ringe" und Aussagen seiner Freunde über die Weltsicht der FPÖ.

Es gelte dabei zu unterscheiden zwischen "berechtigten Sorgen und Ängsten" und "geschürten Ängsten und Zwietracht". Für die nachvollziehbaren Ängste brauche es Lösungen. Für die geschürten Ängste jedoch brauche es einen Bundespräsidenten, der die Stimme erhebt. Van der Bellen warnte vor einer "blauen Republik", denn die Bundespräsidentenwahl sei dabei nur eine "Etappe", sei es doch Ziel der FPÖ, dass Parteichef Heinz-Christian Strache Bundeskanzler werde. Auch betonte der Kandidat, dass Österreichs Präsident kein "deutsch-nationaler Burschenschafter" sein soll.

Die Hofburg sei rot-weiß-rot, nicht blau, so Van der Bellen. Er appellierte an die Wähler, wie bereits im Mai für einen "rot-weiß-roten Schulterschluss" zu sorgen. Nachsatz: "Mit eurer Hilfe", also nicht mit Gottes Hilfe, wie Norbert Hofer, "schaffen wir das!".

Weiterer Redner war VP-EU-Parlamentarier Othmar Karas. Karas und die nach ihm auftretende ehemalige Präsidentschaftskandidatin Heide Schmidt hielten flammende Plädoyers dafür, nicht FPÖ-Kandidat Norbert Hofer sondern Alexander Van der Bellen zum Präsidenten zu wählen.

Es gehe um mehr als um die Wahl des Präsidenten, es gehe um eine Richtungsentscheidung, darum, den "Kampf gegen das Recht des Stärkeren" zu gewinnen, und zwar auf friedliche Weise, so Schmidt. Vor allem jene, die nicht vorhätten, zur Wahl zu gehen, müssten noch  umgestimmt werden. Durch die Nicht-Teilnahme am "Kampf um die Seele der Gesellschaft" würden sie dem Falschen zum Sieg verhelfen. Karas: "Es kommt auf jede Stimme an."

Kein klarer Favorit

Für den entscheidenden Wahlgang in der Vorweihnachtszeit gibt es keinen klaren Favoriten. Die aufgehobene Stichwahl vom 22. Mai brachte das knappste Ergebnis aller 13 Volkswahlen seit 1951, der Grüne Alexander Van der Bellen lag um nur 30.863 Stimmen vor Norbert Hofer. Der FPÖ-Kandidat holte sich mit der Anfechtung eine zweite Chance. 

Die Österreicher sind in der Frage, wer das nächste Staatsoberhaupt werden soll, gespalten. Von Anfang an klar war diesmal nur, dass sie anders als bisher weder einen roten noch einen schwarzen Bundespräsidenten wollten.

Die SPÖ hatte sich im Vorfeld der Stichwahl relativ klar für Aleander Van der Bellen positioniert. Auch Alt-Bundespräsident Heinz Fischer deklarierte sich für den ehemaligen Parteivorsitzenden der Grünen. Die ÖVP hielt sich lange bedeckt. Erst langsam lichten sich die Nebel.

Van der Bellen startete Wahlkampf mit Unterstützung von ÖVP

Beim offiziellen Wahlkampfauftakt heute Nachmittag war ein ÖVP-Politiker der Hauptredner, Othmar Karas, Fraktionsführer der ÖVP im EU-Parlament.  Zuvor hatte schon ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner Position bezogen und gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" gemeint, er werden den Kandidaten wählen, der "die internationale Reputation mitbringt. In dem konkreten Fall ist das Alexander Van der Bellen.“

Auch die „Nein zum Öxit“-Plattform des Industriellen Hans Peter Haselsteiner nützen immer mehr ÖVP- oder ÖVP-nahe Stimmen, um vor allem gegen Hofer Stellung zu beziehen, zuletzt Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad und der ehemalige VP-Landwirtschaftsminister und EU-Kommissar Franz Fischler. Fischler über Hofer: „Ein Wolf bleibt bekannterweise ein Wolf, auch wenn er Kreide frisst.“ Zu den Van-der-Bellen-Befürwortern zählen auch Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll, Wilhelm Molterer, Erhard Busek, Josef Riegler, Maria Rauch-Kallat und Nationalbankpräsident Claus Raidl.

Die meisten aktiven ÖVP-Spitzenpolitiker halten sich aktuell bedeckt. In der Vergangenheit hatten sich Finanzminister Hans Jörg Schelling und Familienministerin Sophie Karmasin kritisch zu Hofer geäußert.

Es gibt auch Sympathiebekundungen aus den Reihen der ÖVP für Norbert Hofer, aber sehr verhalten. Der ORF zitiert etwa den früheren Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa, bei dem Hofer am Sonntag einen Besuchstag absolvierte. Van Staa habe betont, er habe eine "gute, sehr gute Meinung“ von Hofer.