Der Titel Ihres neuen Buches ist "Die neue Weltunordnung": War sie denn jemals in Ordnung bzw. geordnet? Ist unsere Erinnerung hier zu gnädig? Es gab ja immer Krisen und Unwägbarkeiten, geopolitisch, weltpolitisch.
PETER NEUMANN: Aus langer Sicht betrachtet, ist es schon so, dass zu verschiedenen Zeitpunkten eine gewisse Ordnung bestanden hat: Beim Kalten Krieg etwa war es eine bipolare Ordnung. Dann hatten wir eine Zeit, in der der Westen sehr dominant war. Jetzt spürt man wieder, dass die Dinge in Bewegung geraten und dass möglicherweise eine neue Ordnung entsteht. Wir wissen aber noch nicht, wie diese Ordnung am Ende aussehen wird.

Sie gehen hart mit dem Westen ins Gericht, orten eine Mischung aus Anmaßung und Naivität: Man folgte dem Trugschluss, dass der Arabische Frühling nur positive Veränderungen bringen wird. Man dachte, dass Russland ein verlässlicher Partner sei. Man gab sich der Illusion hin, dass China Geschmack an der Demokratie finden würde. Nichts davon hat sich bewahrheitet ...
NEUMANN: Ich denke, wir haben uns viel zu lange für den Nabel der Welt gehalten. Wir dachten, dass das System, das wir haben, derart überlegen sei, dass man es eigentlich niemandem erklären muss und es alle haben wollen.

Ihr Buch ist eine negative Bestandsaufnahme, der Untertitel ist "Wie sich der Westen selbst zerstört" ...
NEUMANN:
Wenn wir nach vorne gehen wollen, müssen wir erst aus den Fehlern der Vergangenheit lernen: Was haben wir denn in den letzten 30 Jahren getan, um diese Führungsposition, die wir nach Ende des Kalten Krieges gehabt haben, wieder zu verlieren? Da fällt mir eine ganze Reihe von Fehlern und Katastrophen ein: Vom Irak über Libyen nach Afghanistan, von der Finanzkrise bis hin zum Klimanotstand, den wir letztlich als Westen auch mitverursachten – und für den es keine schnelle Lösung gibt.