Als Präsident der von Russland angegriffenen Ukraine, deren Vernichtung Moskau mehrfach angekündigt hat, ist auch Wolodymyr Selenskyj hochgradig gefährdet. Am Mittwoch reiste er nun nach Washington zu einem Treffen mit US-Präsident Biden – seine erste Auslandsreise seit Ausbruch des Krieges.

Wie gelang es ihm, unbeschadet zu reisen? Darüber spekulierten nun deutsche und US-Medien. Seit dem 24. Februar fliegen keine zivilen Flugzeuge mehr von Kiew ab. Politiker wie Bundeskanzler Nehammer oder Außenminister Schallenberg mussten mit dem Zug anreisen.

Wenige Tage nach Kriegsbeginn hatte Selenskyj ein Angebot der USA, ihn außer Landes zu bringen, noch abgelehnt. "Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit" soll Selenskyj erwidert haben. Nun hat er sich doch zu einem kurzen Abstecher entschieden – mit fixer Rückkehr in sein Land.

Die Reise war bis zum letzten Moment geheim gehalten worden. Am Mittwoch um sieben Uhr in der Früh teilte Selenskyj selbst mit, er sei "auf dem Weg in die USA, um die Widerstandsfähigkeit und die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken". Debattiert werden nun vor allem drei Thesen:

1. Mit dem Zug nach Polen

"Euronews" berichtet, der ukrainische Präsident sei etwa neun Stunden mit dem Zug von Kiew bis nach Przemysl im Südosten Polens gefahren. In einem weißen Geländewagen sei es für ihn dann zum knapp 100 Kilometer entfernten Flughafen von Rzeszow gegangen – das berichtete der polnische TV-Sender TVN. Vom Flughafen Rzeszow soll Selenskyj mit einer Maschine der US-Luftwaffe in die USA geflogen worden sein. Die "Bild"-Zeitung berichtet, der Flieger sei über der Nordsee von Flugzeugen aus den USA, Großbritannien und Deutschland begleitet worden und Minuten später von der Tracking-Seite "Flightradar24" verschwunden. Möglicherweise ein Indiz dafür, dass Selenskyj tatsächlich in der Maschine gesessen habe.

Es gibt aber auch erhebliche Zweifel daran, dass Selenskyj tatsächlich die "klassische" Zugroute genau zum angekündigten Zeitpunkt genutzt haben soll. Das wäre doch ein recht riskantes Unterfangen.

2. Täuschungsmanöver

Eine andere Theorie geht daher davon aus, dass sich Selenskyj schon Tage zuvor in den USA befand – etwa zu dem Moment, als Bilder von seinem Besuch in der umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine veröffentlicht wurden. Selenskyj könnte auch von der Luftwaffenbasis Lask im Süden Polens mit einem Jet der US-Luftwaffe zunächst nach Ramstein in Deutschland und von dort aus in die USA gebracht worden sein.

3. Mit einer türkischen Militärmaschine

Im Umlauf ist auch eine dritte Theorie, wonach das türkische Militär Selenskyj von Kiew aus direkt nach Washington gebracht habe. Nachdem der türkische Präsident Erdogan in dem Konflikt aber nicht immer eindeutig Stellung bezogen hat, erscheint dieses Unterfangen doch auch etwas riskant. Die Frage wird wohl offenbleiben.