Die jüngsten Entwicklungen in der Auseinandersetzung im Nahen Osten waren ein Nährboden für viele neue Falschbehauptungen. Nach den iranischen Angriffen auf Israel in der Nacht auf vergangenen Sonntag und den darauffolgenden Drohnenabschüsse im Iran in der Nacht auf Freitag kursierten in den sozialen Medien innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Bilder und Videos, die mit simplen Methoden als veraltet zu überführen sind.

Fake-Inhalte im Umlauf

Einschätzung: Viele der viralen Videos sind veraltet und stammen nicht von der jüngsten Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran.

Überprüfung: Trotz rasanter technischer Fortschritte sind die verbreitetsten Fake-Videos nach Erfahrung von APA-Faktencheck derzeit noch keine perfekten Bildmanipulationen oder sogenannte Deepfakes, sondern schlicht Aufnahmen, die aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen werden. Eine Foto-Rückwärtssuche kann dabei helfen, schnell herauszufinden, ob ein Video bereits in der Vergangenheit im Internet kursiert ist und was der eigentliche Kontext dazu war. Für Videos ist hierfür lediglich der erste Frame oder eine besonders markante Stelle im Film zu screenshotten und beispielsweise mit Google, TinEye oder Bing zu suchen. Dadurch können viele Fakes innerhalb weniger Minuten überführt werden.

In den turbulenten und emotionsgeladenen Stunden nach den jüngsten Angriffen waren besonders viele Menschen dazu verleitet, gezielt oder auch unwissend Inhalte zu teilen, die nicht von der aktuellen Auseinandersetzung stammen - teilweise werden diese immer noch weiterverbreitet. Einige dieser Inhalte werden exemplarisch im Folgenden angeführt. Mitunter stammen die Originalfotos nicht einmal aus dem Nahen Osten.

1. Explosionen im Nachthimmel

Als „jüngstes Update“ wird etwa auf X (vormals Twitter) ein Video geteilt, das Angriffe auf den Iran zeigen soll. Zu sehen ist eine Aufnahme von einer Terrasse, während Explosionen den Nachthimmel erhellen.

Das Video wurde allerdings bereits ein paar Stunden vor dem Angriff gepostet. Es kann somit nicht die jüngste Attacke auf den Iran zeigen. Ob das Video wie behauptet einen Angriff des Libanons in Israel zeigt, kann nicht verifiziert werden.

2. Video-Compilation von brennenden Fabriksgebäuden

Eine in aktuellem Zusammenhang geteilte und betitelte Video-Compilation enthält gleich mehrere alte Videos, die in keinem Zusammenhang zu den jüngsten Ereignissen stehen. Zu sehen sind etwa mehrere brennende Fabriksgebäude. Durch die Verwendung mehrerer Medienlogos wirken die Aufnahmen auf den ersten Blick glaubwürdig.

Es handelt sich zumeist auch tatsächlich um echte Medienberichte, allerdings sind diese mehrere Monate alt. Die Aufnahmen stammen allesamt von Ende Jänner 2024. Dies lässt sich über die Ergebnisse von mehreren Foto-Rückwärtssuchen nachweisen, die zu verschiedenen Quellen führen. Die Szenen sind so gewählt und geschnitten, dass der originale Kontext verheimlicht wird.

3. Raketeneinschläge auf Militärbasis in Israel

Mit der Behauptung, dass israelische Kampfflugzeuge zum ersten Mal den Iran direkt angegriffen hätten, ist ein Video versehen, das ebenfalls auf X (vormals Twitter) die Runde macht. Es zeigt offenbar mehrere Raketeneinschläge in weiter Distanz.

Auch dieses Video ist irreführend und steht in keinem aktuellen Zusammenhang. Es wurde bereits am 14. April 2024 veröffentlicht und soll iranische Raketen bei einem Angriff auf eine Militärbasis im Süden Israels zeigen.

4. Video zeigt keine Hisbollah-Angriffe auf Tel Aviv

Ein am Wochenende bei Instagram hochgeladenes Video zeigt den Abschuss mehrerer Marschflugkörper. Nach rund 17 Sekunden folgt ein Schnitt auf Lichtpunkte über Hochhäusern. Über dem Video eingeblendet steht in arabischen Schriftzeichen „Tel Aviv jetzt“. Doch das Video zeigt weder Tel Aviv, noch ist es aktuell.

Mittels Bilderrückwärtssuche lässt sich belegen, dass zumindest der kurze Ausschnitt über dem Stadtgebiet bereits fast drei Jahre alt ist und Raketen über der israelischen Stadt Ashdod zeigt. Die Raketen wurden vom Gazastreifen aus weggeschossen und nicht von der libanesischen Hisbollah, wie es im begleitenden Text des Instagram-Beitrags heißt.

5. Video von Feuerbällen stammt aus Ukraine

Ein weiteres Video zeigt zwei ohrenbetäubend laute Explosionen, die von großen Feuerbällen begleitet werden und offenbar mehrere Alarmanlagen auslösten. Im über dem Video eingeblendeten Text steht übersetzt „Treffer aus kurzer Distanz“. Daraus allein lässt sich nicht ableiten, wo sich dieser Treffer zugetragen haben soll. In der Kanal-Info von „17newss“ heißt es aber übersetzt „aktuelle Nachrichten aus Iran und Israel“.

Der elf Sekunden lange Clip stammt nicht aus Israel. Eine deutlich längere Version des Videomaterials verortet das Geschehen in der ukrainischen Hafenstadt Sewastopol auf der im Jahr 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim. Dort sollen laut ukrainischen Angaben am Abend des 23. März 2024 zwei russische Kriegsschiffe von ukrainischen Raketen zerstört worden sein. Der aktuell im falschen Zusammenhang verwendete Kurzclip endet wenige Sekunden, bevor im längeren Video Stimmen zu hören sind, die auf den tatsächlichen Aufnahmeort hindeuten könnten.

6. In Stromleitung verfangene Drohne nicht aktuell

In einem weiteren Beitrag, der in unterschiedlicher Form auf mehreren Plattformen geteilt wurde, wird eine angeblich jüngst aus dem Iran Richtung Israel abgefeuerte Drohne gezeigt, die sich demnach in einer Stromleitung im Irak verfangen haben soll. Tatsächlich ist auch dieses Video schon älter.

Der Zwischenfall ereignete sich im syrischen Al-Hasaka und wurde am 20. Februar 2024 das erste Mal dokumentiert. Nach und nach tauchten Videos aus verschiedenen Blickwinkeln auf. Die näheren Umstände des Zwischenfalls wurden bisher nicht vollends aufgearbeitet.

7. Fünf Jahre altes Foto von Waffentransport durch Teheran

Schon im Vorfeld des iranischen Angriffs auf Israel wurden falsche Inhalte zum sich zuspitzenden Konflikt verbreitet. In einem am 4. April 2024 auf der Plattform X (vormals Twitter) veröffentlichten Posting ist ein Bild zu sehen, das einen iranischen Waffentransport zeigen soll. Dieser sei demnach auf dem Weg nach Syrien und passiere auf dem Foto gerade die irakisch-syrische Grenze.

Tatsächlich ist dieses Foto bereits fünf Jahre alt. Eine Bilderrückwärtssuche weist als Originalfoto ein Bild aus der Datenbank der europäischen Pressefotoagentur epa aus. Dem begleitenden Kurztext zufolge stammt es von den Feiern zum iranischen Tag der Armee, der am 18. April 2019 begangen wurde. Die mit Raketen beladenen LKWs fuhren demnach durch Teheran und nicht über die Grenze des Irak in Richtung Syrien.

8. Video zeigt kreischende Fans statt kriegerischer Szene

Manchmal stammen die Originale von missbräuchlich verwendeten Fotos und Videos auch aus einem gänzlich anderen Zusammenhang. Ein Beispiel dafür ist ein Video, das vermeintlich vor den iranischen Raketen flüchtende Israelis zeigt. Eine quadratisch zugeschnittene Version lokalisiert den Vorfall in Tel Aviv. Bei Instagram wird über das Video behauptet, es zeige eine „Atmosphäre der Angst“ in Israel.

Tatsächlich wurde das Video aber in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires aufgenommen und zeigt eine Traube an Fans. Im dortigen Four Seasons Hotel hielt sich Anfang April 2024 der britische Sänger Louis Tomlinson auf, wie die argentinische Online-Zeitung Infobae berichtete. Auf einem Selfie, das den Sänger am Ende eines der Videos mit Fans zeigt, ist im Hintergrund der Torre Pro Urban gut erkennbar.