Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer haben Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, im Ukraine-Krieg auf Verhandlungen statt Waffenlieferungen zu setzen. In einem gemeinsamen "Manifest für den Frieden" warnten die beiden Frauen am Freitag vor einer "Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg". Spätestens wenn die ukrainischen Streitkräfte die Krim angreifen sollten, werde der russische Präsident Wladimir Putin "zu einem maximalen Gegenschlag" ausholen, meinten sie. Die Schwarzmeerhalbinsel Krim ist von Russland widerrechtlich annektiert worden.

Prominente Unterstützer für Manifest

Das Manifest wurde von 69 Erstunterzeichnern unterstützt, so von der Theologin Margot Käßmann, dem Sänger Reinhard Mey und dem ehemaligen EU-Kommissar Günter Verheugen. Seit der Veröffentlichung vor vier Tagen haben mehr als 481.000 Menschen die Online-Petition unterzeichnet (Stand Dienstagnachmittag). Schwarzer und Wagenknecht betonten: "Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität." In ihren Augen sei das aber nicht eine immer weitere Verlängerung des Krieges, der aus der Ukraine letztlich ein entvölkertes, zerstörtes Land machen werde.

Es gibt aber auch Kritik an der Kritik von Schwarzer und Wagenknecht: Der bekannte Politologe Herfried Münkler hält die Forderungen der Petition für untragbar. Die Frauenrechtlerin und die Linken-Politikeri würden "mit kenntnislosem Dahergerede Putins Geschäft betreiben", sagte Münkler dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der emeritierte Professor an der Berliner Humboldt-Universität geht noch weiter und ortet "Komplizenschaft mit dem Aggressor". Die Ansichten Schwarzers und Wagenknechts desavouieren nach "die gesamte Idee des Pazifismus", so Münkler.

Unverblümte Kritik übten Schwarzer und Wagenknecht am ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. "Präsident Selenskyj macht aus seinem Ziel kein Geheimnis", schrieben sie. "Nach den zugesagten Panzern fordert er jetzt auch Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe, – um Russland auf ganzer Linie zu besiegen?" Die Ukraine könne zwar – unterstützt durch den Westen – einzelne Schlachten gewinnen. "Aber sie kann gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen."

Kanzler Scholz habe beim Amtsantritt geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. "Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt! Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen." Im April vergangenen Jahres hatte Schwarzer auch schon einen offenen Brief initiiert, der an Scholz appellierte, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Mittlerweile ist dieser Brief ihren Angaben zufolge von mehr als 500.000 Menschen unterzeichnet worden.

In einem Gegenappell hatten sich Intellektuelle für eine kontinuierliche Lieferung von Waffen an die Ukraine ausgesprochen. "In den Händen der Angegriffenen sind auch Panzer und Haubitzen Defensivwaffen, weil sie der Selbstverteidigung dienen", hieß es in dem Schreiben, das unter anderem von dem ehemaligen Grünen-Politiker Ralf Fücks, dem Schriftsteller Daniel Kehlmann und dem Verleger Mathias Döpfner unterzeichnet worden war. Weiter hieß es darin, wer einen Verhandlungsfrieden wolle, der nicht auf die Unterwerfung der Ukraine hinauslaufe, müsse ihre Verteidigungsfähigkeit stärken. Einen Erfolg des russischen Angriffs zu verhindern, sei im Interesse Deutschlands.