Die brasilianische Polizei hat hunderte nach dem Sturm auf den Kongress und andere Institutionen festgenommene Anhänger des rechtsradikalen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro wieder freigelassen. Die Freilassung von knapp 600 Festgenommenen am Dienstag sei "aus humanitären Gründen" erfolgt, erklärte die Polizei. Bei ihnen handle es sich um ältere oder kranke Menschen oder Mütter mit kleinen Kindern.

Mit Bussen wurden die Freigelassenen zu einem Busbahnhof gebracht, um an ihre Heimatorte zurückzukehren. Aus den Bussen streckten Freigelassene die Hand zum Siegeszeichen aus dem Fenster oder riefen Parolen wie "Der Sieg ist unser!"

527 Festgenommene wurden unterdessen in eine Strafanstalt in Brasília gebracht. Insgesamt waren nach dem Sturm auf die politischen Institutionen und bei der Auflösung eines Protestlagers von Bolsonaro-Anhängern nach Polizeiangaben rund 1.500 Menschen festgenommen worden.

Hunderte Bolsonaro-Anhänger waren am Sonntag in der Hauptstadt
Brasília in das Kongressgebäude, den Präsidentenpalast und den Sitz
des Obersten Gerichts eingedrungen und hatten dort stundenlang
schwere Verwüstungen angerichtet. Dabei entlud sich ihr Zorn über
den Wahlsieg des Linkspolitikers Luiz Inácio Lula da Silva, der sich
in einer Stichwahl knapp gegen Bolsonaro durchgesetzt hatte und seit
Jahresbeginn im Amt ist.

Nach dem Sturm radikaler Anhänger von Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro auf das Regierungsviertel in Brasília hat Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva versprochen, diejenigen zu ermitteln und zu fassen, die hinter der Aktion stecken.

"Im Namen der Verteidigung der Demokratie"

"Im Namen der Verteidigung der Demokratie werden wir niemandem gegenüber autoritär sein, aber wir werden auch niemandem gegenüber lauwarm sein", sagte Lula in Brasília am Montag (Ortszeit) im brasilianischen Fernsehen. "Wir werden das untersuchen und die Leute finden, die es finanziert haben." Im Fernsehen war auch zu sehen, wie Lula und Gouverneure am Abend vom Regierungssitz Palácio do Planalto zum Obersten Gerichtshof gingen.

Nach dem Sturm auf das Regierungsviertel in Brasília gingen Tausende Brasilianer für die Verteidigung der Demokratie auf die Straße. Die Demonstranten in den Millionenmetropolen São Paulo und Rio de Janeiro sowie in anderen Städten des südamerikanischen Landes forderten harte Konsequenzen für die Täter, wie "G1" am Montagabend (Ortszeit) berichtete. Demnach trugen die Demonstranten Plakate mit Aufschriften wie "Keine Amnestie und kein Verzeihen. Wir wollen Bolsonaro im Gefängnis sehen."

Nach dem Angriff werden über 600 zusätzliche Polizisten aus anderen Teilen des Landes in die Hauptstadt verlegt. Die Beamten werden aus 15 Bundesstaaten in den Bundesdistrikt entsandt, wie die Zeitung "Folha de S. Paulo" am Dienstag berichtete.

Angriff auf die brasilianische Demokratie

Am Sonntag hatten radikale Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel in der brasilianischen Hauptstadt gestürmt. Sie brachten kurzzeitig die Schaltzentralen der wichtigsten Staatsgewalten des Landes unter ihre Kontrolle. Sie drangen in den Kongress, das oberste Gericht und den Regierungssitz ein, randalierten und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Erst nach Stunden brachten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle.

Der rechte Präsident Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Lula in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Bereits vor der Wahl hatte er immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut. Beweise dafür legte er allerdings nie vor. Auch nach der Abstimmung erkannte er seine Niederlage nie ausdrücklich an. Seine Anhänger blockierten immer wieder Landstraßen, kampierten vor Kasernen und forderten eine Militärintervention zugunsten des abgewählten Staatschefs.