Seit 18 Jahren wartet Nordmazedonien auf einen EU-Beitritt. Griechenland gab seinen Widerstand nach zehn Jahren mit der Beilegung des Namensstreits auf. Dann blockierte Bulgarien. Das Nachbarland müsse erst auf Forderungen betreffend Minderheiten, Sprache und Geschichtsschreibung eingehen.

Frankreich präsentierte einen Kompromissvorschlag, der den Dauerstreit beilegen soll. Sofia zeigt sich aufgeschlossen. In Skopje warb der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, der auch mit Ministerpräsident Dimitar Kovačevski zusammentraf, für den Vorschlag. Auch der nordmazedonische Präsident Stevo Pendarovski kann dem Vorschlag viel abgewinnen. Die Regierung versucht eine breite Zustimmung zu erreichen, doch der Opposition und vielen Nordmazedoniern gehen die Zugeständnisse an Bulgarien zu weit, es gibt Proteste.

Der nordmazedonische Präsident Stevo Pendarovski will den Streit mit Bulgarien hinter sich bringen
Der nordmazedonische Präsident Stevo Pendarovski will den Streit mit Bulgarien hinter sich bringen © IMAGO/Agencia EFE (IMAGO/JJ. GUILLEN)

Demonstranten sehen nationale Identität gefährdet

Viele Menschen fürchten, ihnen werde die Änderung ihrer nationalen Identität aufgezwungen, um Sofia gnädig zu stimmen. Dem entgegnet Pendarovski: "Der Vorschlag sieht vor, dass die bulgarische Minderheit in unserer Verfassung verankert wird. Das will auch Bulgarien. Doch der Vorschlag enthält nicht die bulgarische Haltung, wonach unsere Sprache bis 1944 ein bulgarischer Dialekt war und die mazedonische Nation erst 1944/45 durch einen Erlass von Marschall Josip Tito geschaffen wurde."
Zugleich kritisiert Pendarovski aber auch Teile des Vorschlags.

Die darin vorgesehene Verfassungsänderung, die die bulgarische Volksgruppe in der Präambel verankern sollte, sei realistisch nicht umsetzbar. Die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit sei in dieser so emotionalen Frage nur schwer zu erreichen. "Somit versteckt sich hinter dem französischen Vorschlag eine De-facto-Blockade", betont der nordmazedonische Präsident.

Pendarovski warnt davor, dass sich der Traum von einem vereinten Europa nicht in das verwandeln dürfe, das "die Kommunisten 45 Jahre lang propagiert haben": eine klassenlose Gesellschaft, in der man alles bekomme, das man sich wünscht. Der europäische Traum dürfe nicht auch zur Illusion werden. In der Frage der EU-Erweiterung gehe es um mehr als nur Nordmazedonien oder den Westbalkan.

Es sei möglich, dass sich die Bürger aufgrund europäischer Doppelstandards künftig an jene Parteien wenden, die Europa den Rücken kehren wollen – also Populisten, die sich künftig dem eurasischen Raum zuwenden wollen. Damit meint Pendarovski wohl auch Russland.