UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat die uneinheitliche Reaktion der Weltgemeinschaft auf die Corona-Pandemie scharf kritisiert. "Verschiedene Länder haben verschiedene und manchmal widersprüchliche Strategien befolgt, und wir zahlen alle einen hohen Preis dafür", sagte er am Montag in einer Videobotschaft zum Auftakt des Jahrestreffens der Weltgesundheitsversammlung (WHA).

Guterres beklagte, es habe "sehr wenig Einigkeit" gegeben bei der Reaktion auf die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. "Viele Länder haben die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ignoriert."

Gesundheitsminister aus der ganzen Welt werden bei der Jahresversammlung der WHO wohl auf eine unabhängige Überprüfung des Umgangs der Weltgesundheitsorganisation mit der Coronavirus-Pandemie dringen. Dem dürften sich Diplomaten zufolge auch China und die USA anschließen, obwohl sie gegensätzliche Ansichten über die Arbeit der WHO geäußert haben.

Doch nach mehr als einer Woche intensiver Verhandlungen über die Resolution, die von der Europäischen Union bei dem zweitägigen virtuellen Treffen präsentiert werden soll, sei es zu einem "zerbrechlichen Konsens" gekommen. Die Resolution fordert auch einen zeitnahen und gerechten Zugang zu sicheren und wirksamen Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus, an dessen Folgen weltweit mehr als 300.000 Menschen gestorben sind.

Die WHA ist eines der Hauptorgane der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Jahrestagung der 194 WHO-Mitgliedstaaten findet wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr erstmals virtuell statt.

Hauptthema der auf zwei Tage verkürzten Konferenz ist die globale Antwort auf die Ausbreitung des neuartigen Erregers, an dessen Folgen bereits mehr als 310.000 Menschen gestorben sind. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte am Freitag von "einer der wichtigsten Jahresversammlungen" seit Gründung der WHO im Jahr 1948 gesprochen.

Die europäischen Staaten sollten sich nach Ansicht der WHO bereits jetzt auf eine zweite tödliche Welle von Coronavirus-Infektionen einstellen. Es sei an der "Zeit für die Vorbereitung, nicht für Feierlichkeiten", sagte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, der britischen Zeitung "The Telegraph". Vor allem eine "Doppelwelle" bereitet ihm Sorge.

Kluge reagierte damit auf die Lockerung von Maßnahmen gegen die Pandemie in mehreren Ländern. Besonders besorgt äußerte sich der WHO-Regionaldirektor über die Möglichkeit einer "Doppelwelle". "In dem Fall könnten wir eine zweite Covid-Welle haben und eine saisonale Grippe oder die Masern." Viele Kinder seien nicht gegen die Masern geimpft, warnte Kluge. Die Länder müssten die Zeit nun nutzen, um ihr Gesundheitswesen zu stärken und zum Beispiel die Kapazitäten in Krankenhäusern auszubauen.

Zwar gingen nun in - den besonders betroffenen - Staaten wie Großbritannien, Frankreich und Italien die Fallzahlen zurück, sagte der Experte. Aber das bedeute noch nicht, dass sich die Pandemie dem Ende nähere. Wegen der Coronakrise hält die WHO ihre zweitägige Jahresversammlung bis Dienstag nur online ab.