Nach dem Rücktritt der russischen Regierung wollen die Abgeordneten im Parlament am Donnerstag über die Nachfolge von Ministerpräsident Dmitri Medwedew beraten. Dabei werde sich Michail Mischustin, der Wunschkandidat von Kremlchef Wladimir Putin, mit den einzelnen Fraktionen und Abgeordneten treffen, sagte Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin am späten Mittwochabend im Staats-TV.

Entscheidung am Nachmittag

Am Nachmittag könnte es eine Entscheidung geben. Putin hat den Leiter der Steuerbehörde für den Posten des Regierungschefs benannt. Das Parlament muss Putins Vorschlag zwar noch bestätigen, das gilt aber als Formsache. Einige Parteien gaben bereits bekannt, die Kandidatur unterstützen zu wollen. Politisch ist der Wirtschaftsexperte Mischustin, der die russische Steuerbehörde seit zehn Jahren führt, bislang kaum in Erscheinung getreten. Beobachter gehen davon aus, dass er als eine Art Übergangspremier arbeiten könnte.

Spekuliert wurde neben einer Verfassungsänderung für eine erneute Kandidatur auch darüber, dass Putin dem Parlament mehr Macht verleihen und als Ministerpräsident mit größeren Befugnissen weiter regieren könnte. Im Dezember hatte sich Putin offen für eine Verfassungsreform gezeigt, die die Zahl der Amtszeiten eines Präsidenten stärker begrenzen könnte. Er signalisierte, die Zahl der präsidialen Amtszeiten könnte grundsätzlich auf zwei limitiert werden.

Druck durch Wirtschaftskrise

Die Regierung stand zudem wegen der Wirtschaftskrise im Land unter großem Druck. Putin hatte erst kurz zuvor mehr Hilfen für einkommensschwache Familien versprochen. Die nächste Parlamentswahl war für Herbst 2021 geplant.

Medwedew soll nach Angaben Putins nun Chef des Sicherheitsrates werden. "Ich halte es für möglich und bat ihn, sich in Zukunft mit Fragen dieser Kategorie zu befassen."

Medwedew unbeliebt

Der 54 Jahre alte Medwedew war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands. Danach übernahm der Jurist von Putin den Posten des Regierungschefs. Zudem ist er Vorsitzender der Kremlpartei Geeintes Russland. Medwedew ist in Russland sehr unbeliebt. Seit 2017 gibt es immer wieder Proteste der Opposition, die sich besonders gegen seine Person richten. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte mit Recherchen Korruption und Geldanhäufung des Politikers aufgedeckt und die Proteste angestoßen.