Tausende Iraker haben an einem Trauerzug für den bei einem US-Raketenangriff getöteten iranischen General Qassem Soleimani teilgenommen. An der Prozession in Bagdad nahmen am Samstag unter anderem der geschäftsführende irakische Regierungschef Adel Abdel Mahdi und weitere hochrangige Politiker teil. Unterdessen wuchsen die Sorgen über eine weitere Eskalation in der Region.

Unklarheit herrschte am Samstag über einen angeblichen weiteren Luftangriff auf Fahrzeuge nördlich von Bagdad, über den die Website Al-Sumaria berichtet hatte. Die irakische Armee dementierte, dass ein solcher Angriff stattgefunden habe. Der Sprecher des US-geführten Bündnisses zum Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) erklärte via Twitter, dass die Koalition in dem betreffenden Gebiet in den vergangenen Tagen keine Angriffe geflogen habe.

Auf Anweisung Trumps

Soleimani, Kommandant der iranischen Al-Quds-Brigaden, war in der Nacht auf Freitag bei einem US-Angriff nahe dem Flughafen von Bagdad getötet worden. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, der Angriff sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Diplomaten und Einsatzkräfte zu verhindern.

Militärfahrzeuge transportierten am Samstag Särge mit den Leichen Soleimanis und der sieben weiteren Todesopfer durch die irakische Hauptstadt. Angeführt wurde der Zug der Trauernden nach Augenzeugenberichten von Milizionären, die irakische Flaggen sowie Banner von Milizen schwenkten, die vom Iran unterstützt werden. Einige riefen antiamerikanische Parolen und forderten Vergeltung für den US-Angriff. "Tod für Amerika", riefen einige.

Es herrschten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Viele Straßen wurden abgesperrt, in Bagdad waren Hunderte Sicherheitskräfte im Einsatz. Am Himmel flogen Militärhubschrauber der irakischen Armee.

Eine weitere Trauerprozession ist in der irakischen Stadt Kerbala geplant. Soleimanis Leiche soll dann am Dienstag in seiner Geburtsstadt Kerman im Südostiran beigesetzt werden. Vorher sind auch im Iran mehrere Trauerzeremonien geplant, unter anderem in Teheran und im Mausoleum des schiitischen Imams Reza in Mashad im Nordostiran. Die sieben anderen Todesopfer sollen in Najaf im Südirak beigesetzt werden. Der 62 Jahre alte Soleimani war der bekannteste Vertreter des iranischen Militärs im Ausland.

Die NATO stoppte die Truppenausbildung im Irak vorerst. Sprecher Dylan White betonte am Samstag jedoch, dass die Mission grundsätzlich weitergehe. "Aber die Ausbildungsaktivitäten sind vorübergehend ausgesetzt." Die NATO beobachte die Lage in der Region sehr genau, sagte White. Die Sicherheit des Personals habe Priorität. "Wir werden weiterhin alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen treffen." Generalsekretär Jens Stoltenberg habe nach den jüngsten Entwicklungen mit US-Verteidigungsminister Mark Esper telefoniert.

Die USA verlegen wegen der neuen Spannungen zusätzlich mehrere Tausend Soldaten in die Region. Sie würden angesichts der gestiegenen Bedrohungslage als "Vorsichtsmaßnahme" im Nachbarland des Irak, Kuwait, stationiert, hieß es am Freitag aus dem US-Verteidigungsministerium. Übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge handelte es sich um bis zu 3.500 Soldaten. Das Pentagon nannte zunächst keine genaue Zahl.

"Schwere Rache"

Die iranische Führung hatte nach der Tötung Soleimanis Vergeltung angekündigt. Ayatollah Ali Khamenei schrieb am Freitag in einem Beileidsschreiben, die Urheber des Angriffs erwarte "eine schwere Rache". Russlands Außenminister Sergej Lawrow wiederum warf den USA am Samstag einen Verstoß gegen das Völkerrecht vor. Das Vorgehen der Amerikaner führe zu einer Eskalation der Lage im Nahen Osten, sagte Lawrow seinem Ministerium zufolge nach einem Telefonat mit seinem iranischen Kollegen Mohammad Javad Zarif.

Die USA wiederum bezeichneten Soleimanis Tötung als Akt der Selbstverteidigung. Die USA wollten keinen Regimewechsel im Iran erreichen, er wolle auch keinen Krieg mit Teheran, sagte Trump. "Wir haben (...) gehandelt, um einen Krieg zu beenden. Wir haben nicht gehandelt, um einen Krieg zu beginnen." Vor evangelikalen Unterstützern in Miami sagte er am Freitagabend, die USA strebten nach Frieden und Harmonie. "Wir sind eine friedliebende Nation."

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder erklärte: "Die EU ist jetzt mehr denn je als pragmatische Vermittlerin gefordert. Wir müssen alle diplomatischen Mittel anwenden, damit aus diesem unüberlegten Säbelrasseln nicht ein großflächiger, kriegerischer Konflikt entsteht." Zudem könnten iranische Vergeltungsakte auch die EU treffen, so Schieder.

Auch der NEOS-Abgeordnete Helmut Brandstätter betonte, dass die Sicherheitslage innerhalb Europas "genau beobachtet" werden müsse. Insbesondere amerikanische, israelische und jüdische Einrichtungen müssten besser als sonst beschützt werden.

In der Region wird unterdessen die Angst vor einer Eskalation des Konflikts größer. Der afghanische Präsident Ashraf Ghani erklärte, darüber auch mit US-Außenminister Mike Pompeo gesprochen zu haben. Er habe in dem Telefonat betont, "dass afghanischer Boden nicht gegen ein Drittland oder in regionalen Konflikten eingesetzt werden darf", schrieb Ghani auf Twitter. In Afghanistan sind derzeit rund 12.000 US-Soldaten stationiert.

Israels Sicherheitskabinett um Regierungschef Benjamin Netanyahu wollte am Sonntag über die Folgen der Tötung Soleimanis beraten. Dabei geht es um die Abwehr möglicher Racheangriffe des Iran. Nach einem Bericht des israelischen Fernsehens sollen die USA Israel über den Angriff auf Soleimani mehrere Tage vorher informiert haben.