Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat angesichts steigender Migrantenzahlen auf den griechischen Inseln vor einer größeren Flüchtlingswelle als im Jahr 2015 gewarnt. "Wir müssen unseren europäischen Partnern bei den Kontrollen an den EU-Außengrenzen mehr helfen. Wir haben sie zu lange alleine gelassen", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag".

"Wenn wir das nicht machen, werden wir eine Flüchtlingswelle wie 2015 erleben - vielleicht sogar noch eine größere als vor vier Jahren." Seehofer hatte vergangene Woche Gespräche mit Regierungsvertretern in Ankara und Athen geführt.

2015 waren mehr als eine Million Asylbewerber nach Europa gekommen. In Deutschland wurden damals 476.649 Asylanträge gestellt, 2016 waren es 745.545, so viel wie nie zuvor. Danach sank die Zahl der Schutzsuchenden, die neu ins Land kamen, wieder.

Seehofer war am Donnerstag und Freitag in die Türkei und nach Griechenland gereist. Dort führte er gemeinsam mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos Gespräche mit Regierungsvertretern. Er sagte Ankara und Athen deutsche Unterstützung im Umgang mit Flüchtlingen und beim Grenzschutz zu.

So ist die Lage in Griechenland

Vor der Ägäis-Insel Farmakonisi griff die griechische Küstenwache nach eigenen Angaben vom Sonntag innerhalb von 24 Stunden 85 Migranten auf. Auf der Insel Samos seien 19 Migranten angekommen. Im Westen Griechenlands hatte die Küstenwache schon am Freitag an Bord von zwei Jachten insgesamt 60 Migranten angetroffen, die allem Anschein nach auf dem Weg nach Italien waren. Es seien drei mutmaßliche Schlepper festgenommen worden. Mit Hilfe von Schleppern versuchen Migranten nach Italien zu kommen, weil die sogenannte Balkanroute weitgehend geschlossen ist.

Die Registrierzentren auf den griechischen Inseln im Osten der Ägäis sind überfüllt. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR haben in den ersten neun Monaten des Jahres mehr Migranten aus der Türkei dorthin übergesetzt (35.848) als im ganzen Vorjahr 2018 (32.494). Die "Welt" zitierte einen Bericht der EU-Kommission, wonach Griechenland bis zum Jahresende mit 25.000 weiteren Migranten rechnet.

Am Dienstag befassen sich die EU-Innenminister mit dem Thema Migration. Dann dürfte sich entscheiden, wie viele EU-Staaten sich dem Verteilmechanismus anschließen, auf den sich Deutschland, Frankreich, Italien und Malta im September geeinigt hatten. Er sieht feste Aufnahmequoten einzelner EU-Staaten für aus Seenot gerettete Migranten vor. Wer wo seinen Asylantrag stellen darf, soll binnen vier Wochen geklärt sein. Allerdings geht es bei der Vereinbarung nur um Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute - damit bezeichnet man das Seegebiet zwischen Nordafrika, Malta und Italien.

Seehofer hatte angeboten, Deutschland könne jeden vierten Bootsflüchtling von dort aufnehmen. Allerdings soll die Übergangslösung nur gelten, wenn genügend Staaten mitmachen. Außerdem kann jeder Unterzeichner aussteigen, falls plötzlich deutlich mehr Boote unterwegs sein sollten. Seit Juli 2018 sind 225 aus Seenot gerettete Menschen nach Deutschland gebracht worden.