328 Abgeordnete stimmten am Dienstagabend im britischen Unterhaus für einen Beschluss, der den Weg für ein Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit ebnet (301 waren dagegen). Bereits heute soll der Entwurf durchs Unterhaus gepeitscht werden. Am Abend will das  Parlament ein Gesetz verabschieden, mit dem bei der EU um einen Austrittstermin Ende Jänner 2020 angesucht werden kann.

Die Debatte begann um 15 Uhr unserer Zeit, die Abstimmung ist für 20 Uhr angesetzt.

Sollten die Abgeordneten den Gesetzentwurf absegnen, will Premierminister Boris Johnson über eine Neuwahl abstimmen lassen. Eine entsprechende Beschlussvorlage habe er bereits vorgelegt, sagte der Regierungschef. Um eine Neuwahl herbeizuführen ist eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten notwendig.
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Mehrheit verloren

Dienstagabend hatte Johnson seine Mehrheit eingebüßt. Noch während der Premierminister am Rednerpult stand, verließ der konservative Abgeordnete Phillip Lee am Dienstag aus Protest gegen Johnsons Brexit-Politik demonstrativ die Regierungsfraktion und nahm zwischen den Oppositionsabgeordneten Platz. Damit ist Johnsons hauchdünne Mehrheit endgültig weg.

Das Gesetz gegen den No Deal soll Johnson dazu zwingen, eine weitere Verschiebung des EU-Austritts zu beantragen, sollte bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen mit der EU ratifiziert sein. Die 27 EU-Staaten müssten dem Antrag jedoch einstimmig zustimmen. Frankreich war aber schon im April anfänglich gegen die damalige Fristverlängerung. Johnson will unter "keinen Umständen" eine weitere Brexit-Verschiebung.

Drohung mit Dauerreden

Während die Zustimmung des Unterhauses zu dem Gesetz nach der Vorentscheidung am Dienstag als unproblematisch gilt, lauern im Oberhaus zahlreiche Fallstricke. Die Lords müssen ebenfalls über den Gesetzentwurf beraten. Dort drohen Brexit-Hardliner, mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) wertvolle Zeit zu verschwenden.

Die No-Deal-Gegner stehen unter erheblichem Zeitdruck, weil Johnson dem Parlament eine mehrwöchige Zwangspause verordnet hat, die bereits in der nächsten Woche beginnt. Die Abgeordneten sollen dann erst wieder am 14. Oktober zurückkehren. Dagegen laufen gerichtliche Verfahren, unter anderem in Schottland. Mit einer Entscheidung des Court of Session in Edinburgh wird schon am Mittwochvormittag gerechnet. Letztinstanzlich müsste die Frage aber wohl vom Supreme Court in London entschieden werden.

Die Parlamentarier wollen verhindern, dass Großbritannien am 31. Oktober ohne Übergangsregeln aus der EU ausscheidet. Sie warnen vor Chaos, Nahrungsmittelknappheit und einem Konjunktureinbruch. Johnson will die Option eines ungeregelten Austritts aber offenhalten, weil er hofft, die EU damit zu Konzessionen zu bewegen.