Als Antwort auf die mehr als fünfmonatigen Sozialproteste der "Gelbwesten" will Frankreichs Präsident Emmanuel MacronSteuern senken und Referenden erleichtern. Der Staatschef kündigte am Donnerstag in Paris in einer live im Fernsehen übertragenen Rede eine "deutliche" Senkung der Einkommensteuer an.

Die Maßnahme werde im kommenden Jahr überprüft, sagte er im Elysée-Palast. Als weitere Konsequenz aus den Protesten und der folgenden zweimonatigen Bürgerbefragung stellte Macron erleichterte Referenden in Aussicht. Auch die Schließung der Elitehochschule ENA, über die zuvor spekuliert worden war, scheint fix zu sein. Macron sagte, für eine Reform des öffentlichen Dienstes müsse "unter anderem die ENA abgeschafft" werden. Die Ecole Nationale d'Administration, die Macron selbst besucht hat, ist seit Jahrzehnten eine führende Institution in Frankreich, an der die Führungskräfte für Wirtschaft und Politik ausgebildet werden. Die "Gelbwesten" und viele andere Bürger werfen der politischen Klasse Frankreichs vor, zu abgehoben zu sein. An seinem Reformkurs werde er grundsätzlich festhalten, betonte Macron: 

Von der Einkommensteuer-Senkung soll nach den Worten des Staatschefs vor allem die Mittelschicht profitieren, aus der viele seiner Wähler stammen. Der 41-Jährige deutete auch eine mögliche Rückkehr zur Vermögensteuer an, die seine Regierung weitgehend abgeschafft hatte. Die Maßnahme werde im kommenden Jahr überprüft, sagte er im Elysée-Palast. Die Protestbewegung wirft ihm auch in diesem Punkt vor, "Präsident der Reichen" zu sein.

Macron stellte auch erleichterte Volksbefragungen in Aussicht. Bindende Referenden nach Schweizer Modell, wie sie die "Gelbwesten" forderten, stellten jedoch "die repräsentative Demokratie in Frage".

Auf die geplante Schließung von Schulen und Krankenhäusern in der Provinz will Macron bis zum Ende seiner Amtszeit 2022 verzichten. Auch eine Schließung der Elitehochschule ENA, über die zuvor spekuliert worden war, lehnte der Präsident ab. Macron hatte die Kaderschmiede selbst besucht, wie auch andere Präsidenten vor ihm. Allerdings wolle er Beamtenposten für breitere Bevölkerungsschichten öffnen, sagte Macron vor Journalisten und Kabinettsmitgliedern im Elysée-Palast.

An seinem Reformkurs werde er grundsätzlich festhalten, betonte Macron in Richtung der EU-Partner in Berlin und Brüssel: "Ich glaube, dass die Umwandlung unseres Landes nicht gestoppt werden darf", sagte er. Diese nannte er "unerlässlich".

"Habe hart und ungerecht gewirkt"

Dennoch bescheinigte Macron der Protestbewegung "gerechtfertigte Forderungen". Im Land gebe es ein weitverbreitetes Gefühl von "Vernachlässigung" und "Ungerechtigkeit", sagte der Präsident. Stellenweise habe er selbst "hart, manchmal ungerecht" gewirkt, räumte Macron ein. "Das bedauere ich."

Bereits im Dezember hatte Macron ein Maßnahmenpaket im Umfang von zehn Milliarden Euro angekündigt, um die "Gelbwesten" zu besänftigen. Es sah unter anderem eine Anhebung des Mindestlohns und Erleichterungen für Pensionisten vor.

Danach hatte Macron von Mitte Jänner bis Mitte März landesweite Bürgerdebatten abhalten lassen, um "die Wut in Lösungen zu verwandeln", wie er sagte. Daran beteiligten sich rund 1,5 Millionen Franzosen bei lokalen Diskussionen sowie im Internet.

Die "Gelbwesten" gehen seit Mitte November auf die Straße. Für diesen Samstag sind neue Proteste angekündigt. Die Bewegung fordert Macrons Rücktritt.