Nach der erneuten Brexit-Verschiebungwerden die Rufe nach einem zweiten Referendum lauter. "Eine flexible Verlängerung bis zum 31. Oktober ist lang genug, um eine Volksabstimmung abzuhalten", sagte am Donnerstag der Sprecher der britischen Liberaldemokraten, Tom Brake, in London.

"Es ist schon lange überfällig, dass (Premierministerin) Theresa May und (Oppositionsführer) Jeremy Corbyn ihre politischen Spielchen aufgeben", betonte Brake.

Ähnlich hatte sich zuvor die neue "Unabhängige Gruppe" im Unterhaus geäußert. Mit einer Volksabstimmung könne "das ganze Debakel zu Ende gebracht werden", twitterte etwa der Abgeordnete Chris Leslie, der der Gruppierung angehört. Ansonsten müsse man mit einer sehr langen Horrorgeschichte über den "Halloween-Brexit" rechnen.

Unendliche Geschichte vom Austritt

Die "Unabhängige Gruppe" im Unterhaus besteht aus etwa einem Dutzend ehemaliger Labour- und Tory-Abgeordneter, die sich aus Unzufriedenheit über den Brexit-Kurs zusammengetan haben. Sie hatte kürzlich bekannt gegeben, sich als Partei anerkennen zu lassen.

Die Briten hatten im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Nach Angaben der britischen Wahlkommission wären für ein zweites Brexit-Referendum mindestens vier, eher sechs Monate an Vorbereitungen notwendig.

Die EU und May hatten sich in der Nacht auf Donnerstag auf einen Kompromiss geeinigt: London bekommt für den Brexit Zeit bis zum 31. Oktober, kann aber auch schon früher geregelt aus der EU austreten.

VdB: "Der beste Brexit ist kein Brexit"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat den erneuten Brexit-Aufschub nach dem EU-Sondergipfel am Donnerstag begrüßt. Gleichzeitig meinte das Staatsoberhaupt: "Der beste Brexit ist kein Brexit. Der zweitbeste Brexit ist ein Brexit, wie ihn die EU mit dem Vereinigten Königreich ausgehandelt hat."

"Absolut nicht wünschenswert" sei ein harter Brexit ohne jeglichen Deal, so Van der Bellen in einer Aussendung. Er hoffe, dass die Regierung der britischen Premierministerin Theresa May und das britische Parlament die Zeit bis zum 31. Oktober nutzen, "um zu einem guten Ergebnis zu kommen".

EVP-Spitzenkandidat Weber sieht Risiken der Verschiebung

Der EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl, Manfred Weber, hat die Einigung auf einen weiteren Aufschub des britischen EU-Austritts begrüßt, aber gleichzeitig auf die Risiken hingewiesen. "Europa hat einmal mehr Geduld und Einigkeit gezeigt, um einen schädigenden Brexit zu verhindern", schrieb der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) am Donnerstag via Twitter.

Zugleich zeigte sich Weber besorgt darüber, dass die andauernde politische Unsicherheit in London negative Auswirkungen auf die Debatten über die Zukunft der EU haben könnte. Er hoffe noch immer, dass es vor der Europawahl im Mai zum EU-Austritt der Briten komme. "Der Brexit zeigt, dass Populisten und Extremisten nur für Unsicherheit und Instabilität sorgen", schrieb Weber.