Er sah noch, wie das Flugzeug plötzlich den Kurs änderte, scharf nach rechts abbog, ehe er von einer gewaltigen Druckwelle umgeworfen wurde. Ein rötlich-gelbes Flammenmeer breitete sich über Hiroshima aus, er selbst erlitt schwere Verbrennungen auf jener Körperseite, die der nukleare Explosion zugewandt war. Sadao Yamamoto überlebte den Atombombenabwurf, sein Glück war, erzählt er am Rande des Besuchs von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Hiroshima, dass er bereits 14 war und ins Gymnasium ging. „In der Volksschule überlebte kein Schüler, mein Schulgebäude war 2,5 Kilometer vom Ort der Explosion entfernt.“ Dass eine Atombombe 600 Meter über der Stadt zur Detonation gebracht wurde, geschweige denn, dass die Innenstadt von Hiroshima stark verstrahlt war, erfuhren die Überlebenden erst nach dem Krieg. Die japanische Generalität verschwieg den eigenen Bürgern die Dimension des Flächenbrands.

„Es ist unverständlich, dass solche Atomwaffen immer noch nicht geächtet sind“, erklärt der heute 87-jährige, einer der rund 50.000 Hiroshima-Überlebenden. Kazumi Matsui, der Bürgermeister der Stadt, pflichtet ihm bei und äußert sein Unverständnis, dass der japanische Staat immer noch nicht den Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen ratifiziert hat - offenkundig aus Rücksicht auf die USA, die sicherheitspolitisch die schützende Hand über Japan halten. Bundeskanzler Sebastian Kurz traf den Bürgermeister bereits zweimal bei internationalen Konferenzen, als Aussenminister hatte sich Kurz massiv für den Vertrag, der 2017 das Licht der Welt erblickt hat, aber seine Gültigkeit erst erlangt, wenn 50 Staaten diesen ratifizieren, ausgesprochen.

Die Bombe als Tabu

Yamamoto wie auch Matsui erzählen beiläufig, dass die Ereignisse am 6. August 1945 jahrzehntelang in den Familien der Betroffenen tabuisiert worden sind. „Von meiner Mutter habe ich erst mit 15 erfahren, dass sie zu den Überlebenden gehört hat“, erzählt der Bürgermeister. Mit 48 starb sie an den Spätfolgen der Atombombe. Sein Onkel habe der eigenen Tochter erst am Tag nach deren Hochzeit die ganz Wahrheit enthüllt. Die Stigmatisierung rührte von der Angst her, dass die Überlebenden durch die radioaktive Verstrahlung einen genetischen Defekt in sich tragen könnten und so nicht dem Bild des kerngesunden Japaners entsprechen würden. Mit 80 hat Yamamoto erst begonnen, sich als Zeitzeuge an Schulen zur Verfügung zu stellen.

In Hiroshima erinnern nur ein Museum, ein Denkmal und eine Gebäuderuine an die Apokalypse vor 73 Jahren, die 140.000 Menschen das Leben gekostet hat. „Wir sind eine grüne und sehr lebenswerte Stadt“, betont der Bürgermeister.

In Hiroshima hat sich in den letzten Jahren ein Österreich-Fanklub entwickelt, dem rund 200 Japaner angehören. Die Frauen schneidern sich selber Dirndln und erscheinen bei besonderen Anlässen in Maria-Theresia-Kostümen.