Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine Kurskorrektur angekündigt und will dafür nötigenfalls auch Kanzlerin Angela Merkel widersprechen. "Dort, wo es im Interesse der Partei notwendig ist, ja", sagte die Parteichefin in der ARD auf die Frage, ob sie Merkel Paroli bieten wolle. "Das, was gut ist, wird fortgeführt und dort, wo es etwas zu ändern gibt, werden wir es ändern."

Sie nannte Zuwanderung, Innere Sicherheit und Rente als Themen, die nochmals geklärt und weiterentwickelt werden sollten. Ihr neuer Generalsekretär Paul Ziemiak sprach deutlicher von einer Neuausrichtung. "Es wird einen neuen Kurs geben", sagte Ziemiak. Dazu sei eine klare Sprache nötig, etwa in Fragen des Rechtsstaates, von Abschiebungen und des Klimaschutzes. Er plädierte zudem für eine wichtige Rolle von Ex-Fraktionschef Friedrich Merz in der Partei.

Kramp-Karrenbauer hatte sich auf dem CDU-Parteitag in Hannover knapp gegen Merz durchgesetzt, der als Kandidat des konservativeren und wirtschaftsfreundlicheren Flügels galt. Ziemiak, der bisherige Chef der Jungen Union, hatte Kramp-Karrenbauer nicht gewählt. Dass der erst 33-jährige jetzt trotzdem zusammen mit ihr die Parteiführung bilden will, gilt als Grund für sein mit gut 60 Prozent eher schwaches Wahlergebnis für den Posten des Generalsekretärs. Mit dem Parteitag endete die Ära Angela Merkels als Parteichefin, sie hatte sich nach 18 Jahren nicht zur Wiederwahl gestellt.

"Klare Haltung"

Dem Deutschlandfunk sagte Ziemiak: "Wir brauchen eine klare Haltung, damit die Menschen wissen, wofür wir stehen, und dann werden wir Menschen zurückgewinnen." Um die Partei wieder zu einen, sprach sich Ziemiak für ein stärkeres Engagement von Merz aus. Es sei wünschenswert, dass die beiden unterlegenen Kandidaten Gesundheitsminister Jens Spahn sowie Merz eine wichtige Rolle in der CDU spielen würden. Dies könne dazu beitragen, enttäuschte Mitglieder zurückzugewinnen. Dass Merz nicht für Präsidium oder Vorstand kandidierte, wertete er als verständliche erste Reaktion nach seiner Niederlage.

Ziemiak sprach mit Blick auf kommende Aufgaben ähnlich wie Kramp-Karrenbauer das Thema Migration und innere Sicherheit an: "Ich finde, um das mal ganz offen zu sagen, jemand, der Verbrechen begeht, der hat keinen Anspruch, hier in Deutschland bleiben zu dürfen." Diese Diskussion sei richtig, weil sonst das Verständnis bei den Menschen verloren gehe. Merkels Politik der offenen Grenze in der Flüchtlingskrise 2015 gilt als Hauptgrund für das Erstarken der AfD sowie den Verlust an Zustimmung für Union und SPD in Umfragen.

In einem Beschluss des Parteitags verlangte die CDU, den Solidaritäts-Zuschlag auf die Einkommensteuer bis Ende 2021 vollständig abzuschaffen, was den Fiskus zehn Milliarden Euro pro Jahr kosten könnte. Das Vorhaben dürfte jedoch in dieser Wahlperiode keine Chance haben, da die Sozialdemokraten die Abschaffung auf hohe Einkommen ablehnt.

Zudem will die CDU Betriebsrenten attraktiver machen und die bisherige Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen bei der Auszahlung abschaffen. Seit 2004 müssen die Bezieher von Betriebsrenten und Direktversicherungen bei einem Betrag von mehr als 150 Euro pro Monat Krankversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge bezahlen - und zwar sowohl den Anteil für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.

CSU-Chef zuversichtlich

CSU-Chef Horst Seehofer zeigt sich nach dem Parteitag und der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer, die kurz auch AKK genannt wird, zuversichtlich: "Die CSU wird mit AKK gut zusammenarbeiten", sagte er der "Bild am Sonntag". Kramp-Karrenbauer habe im Saarland gezeigt, dass sie trotz schwieriger Lage Wahlen gewinnen könne. "Ich bin mir sicher, dass die Union mit ihr wieder Wahlergebnisse über 40 Prozent erzielen kann."

Der Wettbewerb um die Parteispitze wirkte sich für die Union laut einer Umfrage bei der Wählergunst zwar positiv aus, 40 Prozent sind aber dennoch in weiter Ferne: Im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Emnid wöchentlich für "Bild am Sonntag" erhebt, konnten CDU/CSU vor dem Parteitag im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt auf 29 Prozent zulegen. Die AfD verlor einen Punkt und kommt auf 14 Prozent. Bei Grünen (19 Prozent), der SPD (15), der FDP und den Linken (9) änderte sich nichts.