Eine Geruchsmischung aus Metall, Leder und süßlichem Schweiß begrüßt die hunderten Besucher, die an diesem sonnigen Samstagmorgen in die Messehalle in Chantilly im US-Bundesstaat Virginia strömen, 40 Kilometer außerhalb von Washington D. C.. Die großteils männlichen Gäste haben 16 Dollar (14 Euro) bezahlt, um hunderttausende Waffen in allen Größen, Formen und Farben zu bestaunen – und zu erwerben. Viele haben ihre Kinder mitgebracht, manche sind nicht älter als sieben Jahre. Für sie ist der Eintritt frei.

An jedem Wochenende findet in Virginia (und in zahlreichen anderen Bundesstaaten) irgendwo eine „Gun Show“ statt. Waffenhändler aus der Umgebung stellen ihre Gewehre und Pistolen vor, Händler präsentieren Elektroschocker und Klappmesser, Modehäuser bieten spezielle Handtaschen für Frauen an – mit eigenem Fach für die Pistole. Es sind Händler wie Scott Mercer, der seinen Stand direkt beim Eingang hat. Mercer ist Mitglieder bei der Waffenlobby NRA, was sein T-Shirt unmissverständlich klar macht. Er hat mehr als 50 Waffen in seinem Haus. Warum? „Weil ich nicht auf die Polizei warte, wenn jemand in unser Haus einbricht“, erklärt er.

"Trump redet keinen Bullshit"

„Wir Amerikaner tragen Waffen aber auch als Ausdruck unserer Freiheit“, beginnt er sich zu verteidigen, obwohl ihn niemand angeklagt hat. „Ihr Europäer versteht das nicht. Unsere Rechte stehen nur auf einem Blatt Papier“, sagt er und meint damit die Verfassung der Vereinigten Staaten, die in einer Glasvitrine in der Hauptstadt liegt. „Mit unseren Waffen stellen wir sicher, dass diese Rechte nicht angetastet werden.“ Sieht Mercer diese in Gefahr? „Natürlich“, sagt er, während sich eine Zornfalte über seiner Nase bildet. „Es gibt Politiker, die aus diesem Land Europa machen wollen.“ Mercer hat vor zwei Jahren Donald Trump gewählt. „Der redet keinen Bullshit, er macht klare Ansagen.“

Wer an diesem Nachmittag in Chantilly eine Waffe kaufen will, muss zuerst eine Überprüfung durch die örtliche Polizei bestehen. Dafür wird ein Ausweis vorgelegt und ein Formular ausgefüllt, das elektronisch an die Behörden geschickt wird. Finden diese bei der Überprüfung Vorstrafen oder Vermerke für psychische Krankheiten, Drogenabhängigkeit oder häusliche Gewalt, muss der Händler den Verkauf abbrechen. Doch genau hier liegt ein gesetzliches „loop hole“ (Schlupfloch), das von Organisationen kritisiert wird, die für härtere Gesetze kämpfen. Dauert die Überprüfung länger als drei Werktage, kann der Verkäufer die Waffe trotzdem verkaufen. Mercers Frau Tanja, die die Formulare an diesem Tag einscannt und verschickt, schüttelt den Kopf. „Die Behörden reagieren meistens binnen weniger Stunden“, sagt sie. Und wenn sie es nicht tun? „Dann verkaufen wir nicht. Wenn der Käufer jemanden mit unserer Waffe erschießt, ist das schlecht für uns.“

Privatkauf - ohne Fragen, ohne Namen

Davor scheinen sich die zahlreichen Männer, die mit hochgehaltenen Waffen durch die Gänge schreiten, nicht zu fürchten. Es sind Privatpersonen, die ihre Waffen hier – gegen Cash und ohne Fragen – verkaufen. Wer eine solche kauft, muss nicht nur kein Formular ausfüllen, er wird nicht einmal nach seinem Namen gefragt. „Die sind dann selbst schuld“, sagt Tanja und zuckt mit den Schultern.
Wenige Stände weiter prangt ein Aktionsschild über einem Verkaufstisch, der gänzlich mit Glock-Pistolen bedeckt ist. „Ihr stellt Amerikas beliebteste Waffe her, Gratulation“, schwärmt der Verkäufer. Als er von den strengen Waffengesetzen in Österreich erfährt, setzt er tieftraurigen Blick auf: „Das tut mir aufrichtig leid.“

Eine Verschärfung der Waffengesetze will hier niemand. Schulschießereien? Der Preis der Freiheit. Todesopfer durch Schusswaffen? Da sind nicht die Waffen, sondern ihre Besitzer schuld. „Also ich bin für mehr Regulation“, flüstert ein Army-Veteran, der Spenden sammelt. „Dieses Land wäre ein sichererer Ort ohne Waffen“, sagt er und schaut sich nervös um. „Aber so etwas darf man hier nicht sagen.“

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