Mit der Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi nimmt eine Debatte wieder an Fahrt auf, die in den letzten Jahren nur von den Grünen am Köcheln gehalten wurde: ob das 2012 in Wien eröffnete, vor allem von den Saudis finanzierte, interreligiösen Abdullah-Zentrum eine Existenzberechtigung besitzt oder geschlossen werden soll.

Zum 200. Mal hält die frühere grüne Abgeordnete Alev Korun am kommenden Freitag vor dem Kaiciid-Zentrum am Schottenring eine Mahnwache ab. Auslöser der Proteste war die harsche Verurteilung des saudischen Dissidenten Raif Badawi im Jahr 2013. „Die Doppelbödigkeit muss beendet werden. Zu Hause sperrt das Regime Leute wie Badawi, die für einen interreligiösen Dialog eintreten, ein. Ja zu einem  Dialog auf Augenhöhe, Nein zu einem vom saudischen Regime finanzierten Feigenblatt“, so Korun,

Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklung fordert nun auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gegenüber der Kleinen Zeitung eine Schließung des Zentrums am Wiener Schottenring: „Bei allem Verständnis für den multilateralen Dialog: Es braucht wirksame Ergebnisse beim Dialog über die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien. Davon hören und sehen wir nichts. So ist das Zentrum nur ein Feigenblatt und sollte geschlossen werden.“  Andreas Schieder, der SPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahl, hat schon am Freitag die Sinnhaftigkeit des Zentrums in Zweifel gezogen.

Ungleich schwerer tun sich die Regierungsparteien, insbesondere die FPÖ, die in der Opposition dem Zentrum sehr skeptisch gegenüberstand, nun aber verhalten argumentiert. „Wir prüfen allen Optionen“, meinte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gestern auf Anfrage. Die ÖVP, die unter Michael Spindelegger wesentlich an der Errichtung des interreligiösen Zentrums mitbeteiligt, ist zurückhaltender. An der Gründung waren neben Saudi-Arabien auch der Vatikan, Spanien und Österreich beteiligt. Im Steuerungsgremium sitzen Christen, Muslime, Juden gleichberechtigt nebeneinander – ein für ein fundamentalistisches Regime wie Saudi-Arabien höchst bemerkenswerter Vorgang.

In ÖVP-Kreisen argumentiert man, die Empörung über den Mord an Khashoggi und die katastrophale Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien sollte beim saudischen Botschafter, der das zweifelhafte Regime in Riad vertritt, abgeladen werden, nicht beim interreligiösen Zentrum. Hinter den Kulissen beraten die 28 EU-Staaten gerade über eine koordinierte, harsche Reaktion auf den Mord am Dissidenten. Das autoritäre Regime versucht sich gerade mit haarsträubenden Beteuerungen aus der Verantwortung zu stehlen.