Herr Karas, wollen Sie der nächste österreichische EU-Kommissar werden?

OTHMAR KARAS: Ich will, dass die EU in den verbleibenden Monaten noch entscheidende Weichenstellungen für mehr Handlungsfähigkeit Europas in der Welt, für mehr Effizienz und demokratische Legitimierung setzt. Die Frage des EU-Kommissars stellt sich frühestens nach der Europaparlamentswahl. Dass ich genannt werde, freut mich, es ist im Moment aber ein Gerücht.

Hat mit Ihnen noch niemand darüber gesprochen?

OTHMAR KARAS: Nein. An Gerüchten beteilige ich mich nicht, weil im Regelfall Personaldebatten Ablenkungsmanöver von Inhalten sind. Ich freue mich über die Nennung, aber mir wurde schon 2009 und 2014 versprochen, dass ich Kommissar werde.

Werden Sie bei der Europaparlamentswahl im Mai wieder kandidieren und wenn ja, für wen?

OTHMAR KARAS: Auch das ist derzeit ein Ablenkungsmanöver, weil wir als Österreicher gut daran täten, uns primär um den Ratsvorsitz zu kümmern. Das ist jetzt unsere Aufgabe. Ich habe mir selbst dieses Halbjahr genommen, um das für mich persönlich zu entscheiden. Es geht nicht um das Mandat des Othmar Karas, sondern darum, unter welchen inhaltlichen Bedingungen ich kandidiere.

Wie bewerten Sie die Performance des Ratsvorsitzes bisher?

OTHMAR KARAS: Bis zur Stunde ist der Ratspräsidentschaft kein Fehler passiert, aber die entscheidende Phase hat mit den Gipfeln der Außen- und Verteidigungsminister und der Reise des Bundeskanzlers nach Singapur und Hongkong begonnen.

Gerade um das Außenministertreffen gab es kritische Stimmen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ist „enttäuscht von der Vorsitzführung Österreichs“, weil Österreich nicht genug Vorbildrolle einnehme.

OTHMAR KARAS: Wir haben in der Flüchtlings- und Migrationspolitik zu wenig europäische Gemeinschaftszuständigkeit. Flucht und Migrationsfragen bleiben ein Thema auf Jahrzehnte. Es gibt keine Einzelmaßnahmen, mit der man diese Probleme bewältigen kann und auch keine nationalstaatliche Antwort. Wenn wir uns alle einig sind, dass wir die Außengrenze schützen sollen, dann müssen die Mitgliedsstaaten auch den politischen Willen haben, dass an der Außengrenze Visa- und Asylansuchen gestellt werden dürfen.

Österreich könnte dann nicht mehr selbst entscheiden, wer von außerhalb der Union nach Österreich ziehen darf und wer nicht.

OTHMAR KARAS: Wenn jemand in einen Mitgliedstaat kommt, hat er sowieso die Personenfreizügigkeit in der EU.

Heute startet die EVP-Tagung in Wien mit dem Thema Fairness. Mit dabei: Vertreter von Viktor Orbáns Fidesz, der sagt „die Epoche der liberalen Demokratie ist zu Ende“. Wie geht sich das aus?

OTHMAR KARAS: Ich habe keine Auseinandersetzung mit den ungarischen Abgeordneten in den Fraktionen, sondern mit dem Verhalten des Herrn Orbán. Daher werde ich nächste Woche auch für das Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn stimmen. Leider haben wir in den meisten Parteien Europas Populisten und Nationalisten. Es wird auf die Selbstreinigungskraft der Parteien ankommen.

Wenn Sie den Selbstreinigungsprozess beschwören: Was wären innerhalb der EVP die Konsequenzen für Orbán?

OTHMAR KARAS: Orbán wollte einmal über die Todesstrafe nachdenken und ist nur davon abgegangen, weil wir ihn in die Fraktion geholt haben und gesagt haben, so nicht, rote Linie. Und wenn es ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU gegen Ungarn gibt, sollten wir die Mitgliedschaft während des Verfahrens ruhen lassen. Ich bin aber gegen Vorverurteilungen, denn es muss ein geordnetes Verfahren geben.