Wladimir Putin weiß, wie man das heikle Thema spielt. „Wir müssen denjenigen syrischen Gebieten helfen, in die Flüchtlinge aus dem Ausland zurückkehren können“, erklärte er am Samstag bei seinem Treffen mit Angela Merkel in Meseberg und fügte sibyllinisch hinzu. „Das ist potenziell eine große Last für Europa.“ Schließlich hat in letzter Zeit kaum eine politische Materie die Europäische Union stärker beschäftigt als der Streit um die Flüchtlingspolitik.

Bereits auf dem Helsinki-Gipfel mit US-Präsident Donald Trump hatte Putin eine erste Phase mit 1,7 Millionen Rückkehrern aus dem Hut gezaubert. Am 7. September will sich ein Vierergipfel aus Türkei, Russland, Deutschland und Frankreich weiter mit dem Wiederaufbau beschäftigen.

"Bei Assad nichts zu befürchten"

„Die Leute wollen nach Hause“, erklärte der russische Sondergesandte für Syrien, Alexander Lavrentiev. Daher sei es im Interesse der europäischen Nationen, bei der Rückkehr der Flüchtlinge zu helfen, die in ihrer Heimat von Assad nichts zu befürchten hätten.

Doch die Zweifel an den russischen Beteuerungen sind groß. Betroffene argwöhnen, Assads Regime gehe es nicht um Reintegration und Versöhnung, sondern vor allem um eine Abrechnung mit seinen Gegnern. Und so nahm General Jamil Hassan, der Chef des gefürchteten Luftwaffengeheimdienstes, kürzlich bei einem Treffen mit 33 Kommandeuren kein Blatt vor den Mund. Ein Syrien mit „10 Millionen vertrauenswürdigen Leuten, die der Führung gehorchen“, sei besser als ein Land mit „30 Millionen Vandalen“, soll der „Foltergeneral“, in dessen Verliesen Abertausende zu Tode gequält wurden, nach Angaben der Oppositionswebsite „The Syrian Reporter“ gesagt haben.

Drei Millionen Landsleute stehen nach seinen Worten auf den Fahndungslisten, ihre Anklageschriften liegen fertig in den Schubladen. „Nach ihrer Rückkehr werden wir sie wie Schafe behandeln. Wir werden die Schlechten aussortieren und die Guten nutzen“, fuhr der 64-Jährige fort.

Assad: "Gesündere Gesellschaft" durch Krieg

Ähnlich wie Jamil Hassan denkt auch Diktator Baschar al-Assad. Durch acht Jahre Krieg sei eine „gesündere und homogenere Gesellschaft“ entstanden, formulierte er. Weitere Indizien sind die Erfahrungen mit sogenannten Versöhnungsabkommen in den besiegten Rebellenenklaven Ost-Ghuta und Dar'a. Sobald die Aufständischen ihre Waffen niedergelegt hatten, zählten die Garantien des Regimes nichts mehr. Ärzte, Krankenpfleger, Weißhelme und bekannte Aktivisten wurden verhaftet und gefoltert, Männer unter 43 zwangsrekrutiert und sofort an die Front geschickt.
Von Drohungen, Verhören und Schikanen berichten auch die ersten Rückkehrer aus Jordanien, dem Libanon, der Türkei und Europa.

Abgesehen davon sind Wohnviertel und Dörfer der Geflohenen oft völlig zerstört und geplündert. Es gibt weder Wasser noch Strom, weder Schulen noch Krankenhäuser. Die Weltbank schätzt die Kosten für den Wiederaufbau auf mehr als 320 Milliarden Euro, von denen Assad und seine Schutzmächte Iran und Russland höchstens fünf Prozent aufbringen können.

Unbeirrt warnt daher das UN-Flüchtlingshilfswerk vor einer Massenheimkehr wie von Russland propagiert. Die Bedingungen, die es erlauben würden, dass die Menschen in ein sicheres und würdiges Leben zurückkehren könnten, seien nach wie vor nicht gegeben. Daher könne man die Rückkehr von Flüchtlingen derzeit „weder fördern noch unterstützen“.