US-Präsident Donald Trump hat zuletzt erklärt: „Ich will raus aus Syrien. Sollen sich nun andere um die Ganze kümmern.“ Wie ist das zu bewerten?
Guido Steinberg: Donald Trump hat nicht definiert, welche Länder er mit „andere“ meint. Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass er von Saudi-Arabien redet und von Ägypten, also auf jeden Fall von den arabischen Verbündeten, aber mittlerweile frage ich mich schon, ob er nicht auch Israel gemeint hat.


Saudi-Arabien unterstützt zusammen mit Katar und den Emiraten ohnehin die Assad-Gegner. Wird sich der Kampf der Todfeinde Iran und Saudi-Arabien auf syrischem Boden wieder verschärfen?
Guido Steinberg: Nach meiner Einschätzung ist der Konflikt in Syrien mit Saudi-Arabien schon seit längerer Zeit beendet. Einen endgültigen Abschluss hat die saudi-arabische Intervention in Syrien damit gefunden, dass der wichtigste Geldempfänger saudischer Hilfe, die sogenannte Armee des Islam, jetzt in Duma geschlagen wurde. Ich sehe aktuell keine saudische Unterstützung für die Rebellen mehr.


US-Verantwortliche in Syrien warnen davor, die Gefahr eines IS-Comebacks zu unterschätzen. Wie sehen Sie das?
Guido Steinberg: Ich sehe das genauso, denn der IS hat in der Vergangenheit schon gezeigt, dass er jedes Vakuum, das sich bietet, ausfüllt, dass er jede Lücke nützt. Der IS war 2010 im Irak fast geschlagen, er hatte damals vielleicht noch 700 Mann, heute sprechen wir von 1000 oder 20000 Kämpfern in Ost-Syrien. Wenn man die nicht ständig unter Druck setzt, besteht zumindest die Gefahr, dass er wieder erstarkt. Das ist das eigentliche Problem für uns Mitteleuropäer, und das erachte ich auch als das größte Problem von Trumps Ankündigung, sich aus Syrien zurückzuziehen.


An welchen Fronten kämpfen die traditionellen Rivalen Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft am Golf und im Nahen Osten?
Guido Steinberg: Iran ist in Syrien der wichtigere Akteur. Saudi-Arabien hat den Konflikt verloren und die Unterstützung der Aufständischen aufgegeben. Im Jemen ist Saudi-Arabien der stärkere Akteur. Die Iraner unterstützen zwar die Huthi-Rebellen, waren da aber immer recht verhalten, die könnten das sicher aktiver machen. Dann sehen wir, dass Iraner schiitische, islamistische Milizen auch in Bahrain unterstützen, und damit haben wir auch schon die wichtigsten Konfliktfelder.


Warum sind der Iran und Saudi-Arabien so erbitterte Feinde?
Guido Steinberg: Da gibt es mehrere Systemfaktoren: Auf der einen Seite haben wir die revolutionäre Republik Iran, auf der anderen Seite das sehr konservative prowestliche Königreich Saudi-Arabien. Dann gibt es den alten Konflikt: Iraner gegen Araber, der eine Rolle spielt, dann geht es um Schiiten gegen Sunniten. Der Kern des Konflikts ist aber vor allem dieser Anspruch auf die Führungsposition in der Region bei gleichzeitiger weltanschaulicher Konkurrenz. Aus saudi-arabischer Sicht ist es nicht zu dulden, dass die Iraner im Jemen einflussreich werden, aus iranischer Sicht ist es nicht zu dulden, dass die Saudis im Libanon einflussreicher werden.


Saudi-Arabiens neuer Herrscher, Kronprinz Mohammed bin Salman, treibt die Modernisierung seines Landes voran. Welche Rolle spielt er?
Guido Steinberg: Bin Salman ist sicherlich einer der interessantesten Politiker des Nahen Ostens im Moment, vor allem, weil er sein Land tatsächlich modernisieren will. Die Kehrseite seines Modernisierungskurses sehen wir aber in der ungeheuren außenpolitischen Aggressivität. Es ist zu befürchten, dass es noch in anderen Ländern zu Konfrontationen mit dem Iran kommt. Er scheint zielgerichtet Allianzen mit Israel und den USA zu schmieden. Mohammed bin Salman steht für eine Schicht von Saudis, die sich für den israelisch-palästinensischen Konflikt nicht interessieren. Er hat deutlich gemacht, dass er auf US-Präsident Trump baut, und wenn er mit Trump kein Problem hat, dann hat er auch keines mit Benjamin Netanjahu.


Der Nahe Osten, eine Region, die zu den instabilsten der Welt gehört, erfährt einen regelrechten Nuklearboom: Saudi-Arabien verabschiedete kürzlich ein Konzept für 16 hochmoderne Atomkraftwerke, in den Vereinigten Arabischen Emiraten soll noch heuer das erste von vier AKW in Betrieb gehen, der Iran plant eine Erweiterung von Buschehr. Wie bedrohlich ist das?
Guido Steinberg: Das ist hochgefährlich. Das iranische Atomprogramm war immer militärisch motiviert. Mohammed bin Salman sagte kürzlich sehr deutlich: Wenn die Iraner Atomwaffen bekommen, dann bekommen wir die auch. Wenn dann über eine friedliche Nutzung die notwendigen Grundlagen geschaffen werden, muss man auch befürchten, dass nicht nur der Iran potenziell, sondern auch die anderen Staaten zumindest die Fähigkeiten erlangen, Atomwaffen zu entwickeln.