Drei Wochen noch dauert es, bis Österreich nach 1998 und 2006 zum dritten Mal den EU-Ratsvorsitz übernimmt. Kanzler Sebastian Kurz und Infrastrukturminister Norbert Hofer setzten mit einer Erklärung im Parlament den Auftakt zu sechs Monaten, in denen Österreich im Fokus der Europapolitik stehen wird. Und die Opposition, insbesondere Matthias Strolz von den Neos, hielt eine Brandrede dazu, was sich ihrer Meinung nach hinter der schönen Fassade verbirgt.

Sicherheit über alles, ein "Europa, das schützt", Sicherung der Außengrenzen - Kurz wiederholte die Versatzstücke der österreichischen Agenda. Dazu die Sicherung des Wohlstandes, und die Heranführung der Nachbarschaft - der Westbalkanstaaten - an Europa.

Nach Kurz sprach Hofer, und der Vertreter der EU-kritischen Regierungspartei fand beachtenswerte Worte: Die österreichische Jugend kenne nur ein Leben innerhalb der EU, und dieses Europa "steht für Freiheit, Demokratie, Chancen, und es ist eine Wertegemeinschaft, die den Frieden sichert".

Die Briten verließen die EU, aber nicht Europa, man werde sie weiter an Europa binden. Der mehrjährige Finanzrahmen ohne die Beiträge Großbritanniens sei eine Herausforderung, aber man werde wirtschaftlich und zweckmäßig arbeiten.

Das Thema Sicherheit sei so zentral, weil es weit über militärische Sicherheit und Grenzschutz hinausgehe. Allein die umfassende Digitalisierung  mit de Internet das alles mit allem vernetze, werde ganz neue Formen der Abwehr gegen organisierte Kriminalität mit sich bringen müssen für den Fall, dass diese Netze angegriffen werden.

In der Zeit der Vorsitzführung könne Österreich als neutrales Land viel bewirken, ehrlich vermitteln, wichtige Verhandlungen zum Abschluss bringen und damit Europa ein Stück nach vorne bringen.

Dass die FPÖ besonders EU-kritisch sei widerspreche nicht der Verantwortung für das Voranbringen der EU, sondern es sei geradezu Voraussetzung dafür: "Meine größte Kritikerin ist meine Frau, gerade deshalb vertragen wir uns auch so gut."

Und: "Ich glaube, dass Österreich in guten Händen ist. Ich freue mich auf diese Zeit."

Die Seele Europas

Dann kam Strolz. Und der Klubchef der Neos ließ Emotionen sprechen. Achsen von Italien über Ungarn bis Bayerns Seehofer zu bilden, "damit kann die Politik Wahlen gewinnen, aber Europa keine Seele geben!"

"Sie wissen, dass sie mit Spaltung Wahlen gewinnen können, Sie haben das in Österreich gemacht und wollen es jetzt auch in Europa machen", so Strolz an die Adresse von Kurz.  Es ist immer ein seriöser Auftritt, eine professionelle Inszenierung, mit dem Charme des Schwiegersohnes, aber in der Essenz ist es falsch."

Den Zwischenruf, wonach Kurz gerade eine Allianz mit Merkel geschmiedet habe, wies Strolz umgehend zurück: "Das war keine Allianz. Merkel wurde vorgeführt durch den österreichischen Bundeskanzler, und musste bei der Pressekonferenz auch noch lachen." Stunden später sei eine Achse proklamiert worden, "die das Potenzial hat, die deutsche Regierung zu sprengen".

Der 31 Jahre alte österreichische Kanzler habe die deutsche Bundeskanzlerin an die Wand gedrückt, "das ist handwerklich imposant, an seinen handwerklichen Fähigkeiten habe ich nie gezweifelt, das ist ganz großes Kino. Ich zweifle aber an seiner Vision und seinen Zielen. Ich halte das für eine seelenlose Politik."

Am  Leitstand stünden Professionalität und Optimierung, das sei nicht zu leugnen, aber es gehe offensichtlich um die Optimierung von Karrieren, "und das ist zu wenig für diesen Kontinent,  am Vorabend großer Entscheidungen".

Sebastian Kurz sei ohne Zwefeil ein großes Talent, und wer große Talente habe, dessen Pflicht sei es, diese mit großer Verantwortung zu nutzen. "Nütze deine Talente, nütze sie für bessere Allianzen!"

"Wir bringen das wieder in Ordnung"

Strolz provozierte sowohl Kurz als auch Hofer dazu, noch einmal ans Rednerpult zu schreiten. Kurz gab zu, dass "wir Spannungen mit Mitgliedstaaten haben, wie es sie noch nie gab, Fliehkräfte, die problematisch sind, den Austritt von Großbritannien, einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung und die Situation, dass die Grundfreiheiten erstmals in Gefahr sind". Die altbekannte Antwort: Schuld an allem seien die, "die für eine Politik der offenen Grenzen gestanden sind", aber: "Wir bringen das wieder in Ordnung".

Hofer wehrte sich die Gleichsetzung von "Politikern, die das Beste wollen, mit Adolf Hitler", nachdem Bruno Rossmann von der Liste Pilz die Rede von einer "Achse Rom-Berlin" gegeißelt hatte. Dieser Vergleich sei "schamlos", und komme einer Verharmlosung des Nazi-Regimes gleich.

Der Strolz'schen Rede hielt Hofer seinen Optimismus entgegen, mit dem es gelingen werde, die Gesellschaft in die richtige Richtung zu verändern: "Die Seele Europas ist eine sehr moderne."

"Europe United"

SPÖ-Chef Christian Kern hatte zuvor das "Angebot" der Regierung, etwas weiterzubringen in und für Europa, angenommen. Es gebe eine einzige Antwort auf "America First", nämlich: "Europa United". Es sei eine Notwendigkeit, Europa zu stärken, der wahre patriotische Akt der Heimatliebe. "Europa ist unter Druck derer, die Europa von innen heraus schwächen wollen, und derer, die - wie der US-Präsident - keinen Respekt vor Europa haben."

Die Lösung liege in der Verteidigung eines solidarischen Europa, auch wenn es um Steuerbetrug oder Steuerwettbewerb gehe, in einem sozialen Europa ohne Lohndumping und in einem Europa, das den Entgrenzungen des Kapitalismus, den Spekulationen,  entgegentrete.