Die russische Regierung sieht durch die angekündigte Ausweisung von 60 ihrer Mitarbeiter aus den USA ihre Beziehungen zu Washington zerrüttet. Mit diesem Schritt werde "das Wenige zerstört, das von den russisch-amerikanischen Beziehungen übrig ist", sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow.

Die Verantwortung für die "Zerstörungen" im bilateralen Verhältnis liege bei den USA, sagte Antonow. Die US-Regierung hatte die Ausweisung von 60 Mitarbeitern von diplomatischen Vertretungen Russlands angekündigt. Sie reagierte damit auf den Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien. Der Schritt ist mit der EU und anderen Regierungen abgestimmt. Fast 20 Staaten weisen russische Diplomaten aus.

Die Maßnahmen stellten für die "Qualität und Quantität" der Arbeit in der russischen Botschaft einen "schweren Schlag" dar, sagte Antonow. Sie stünden im Widerspruch zu den Inhalten der Telefonate zwischen dem russischen Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump. Moskau werde nun "entsprechende" Gegenmaßnahmen ergreifen, kündigte der Botschafter an.

Nach Angaben der britischen Premierministerin Theresa May handelt es sich bei den Sanktionen gegen den Kreml um die größte gemeinschaftliche Ausweisung russischer Diplomaten in der Geschichte. Insgesamt seien davon mehr als 100 Personen in 18 Ländern betroffen, sagte May am Montag im Londoner Parlament. Großbritannien selbst hatte zuvor bereits 23 russische Diplomaten des Landes verwiesen. "Das Vereinigte Königreich wird Schulter an Schulter mit der EU und der Nato stehen, um diesen Drohungen die Stirn zu bieten", sagte May.

Österreich weist nicht aus

Österreich beteiligt sich nicht an einer konzertierten Aktion der USA und einer Mehrheit der EU-Staaten gegen Russland in der Giftaffäre. Österreich werde "keine Diplomaten ausweisen", teilten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) mit. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor gesagt, dass 16 EU-Staaten russische Diplomaten ausweisen werden. Außerdem würde der EU-Botschafter in Moskau zu Konsultationen zurückberufen, sagte Tusk. "Wir stehen hinter der Entscheidung, den EU-Botschafter aus Moskau zurückzurufen, werden aber keine nationalen Maßnahmen setzen", sagten Kurz und Kneissl dazu. "Vielmehr wollen wir die Gesprächskanäle nach Russland offenhalten. Österreich ist ein neutrales Land und sieht sich als Brückenbauer zwischen Ost und West." Zugleich versicherten sie London der Solidarität der Europäischen Union und versprachen: "Wann immer Russland das Völkerrecht oder die Menschenrechte verletzt, werden wir klare Worte finden und reagieren." 

Die Maßnahme wird von den drei großen EU- und NATO-Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich und Italien mitgetragen. Außerdem weisen Polen, Tschechien, Litauen, die Niederlande, Dänemark, Estland, Lettland, Rumänien und Kroatien russische Diplomaten aus. Nach dpa-Informationen zählen auch die bündnisfreien Staaten Schweden und Finnland zu dieser Gruppe. Das NATO-Mitglied Slowakei teilte hingegen mit, "vorerst" keine Diplomaten ausweisen zu wollen. Man wolle zunächst dem russischen Botschafter die Gelegenheit geben, sich in der Sache zu erklären.

Auch Ungarn und Norwegen schließen sich am Abend der konzertierten Aktion an. Ungarn habe einen Diplomaten des Landes verwiesen, teilte  Vize-Staatssekretär Tamas Menczer mit. Ungarn zählt zum Lager der "Russlandversteher" innerhalb der EU, dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird ein gutes Verhältnis zu Kreml-Chef Putin nachgesagt. Ein weiteres Land mit traditionell guten Beziehungen zu Russland, Slowenien, hält sich indes die Optionen offen. Es sei noch "zu früh", um sagen zu können, wie die Reaktion ausfallen werde, sagte Außenminister Karl Erjavec. Man müsse zunächst feststellen, "was eigentlich passiert ist". Er verwies diesbezüglich auf die Regierungssitzung am Donnerstag. Eine ähnliche Position hatte zuvor bereits die Slowakei eingenommen, die zunächst nur den russischen Botschafter in Bratislava ins Außenministerium zitierte.

Die Strafmaßnahmen wurden wegen des Gift-Anschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia verhängt. Die beiden waren vor etwa drei Wochen bewusstlos in der englischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. London bezichtigte den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Drahtzieher.